Eine Wintertour von Karansebesch bis Petroşani
von Dr. Peter Feige
Wieder sind wir beisammen.
Vor zwei Jahren hatten wir im März 1976 gemeinsam den Fogarascher Kamm gemacht.
Start war damals Cabana Suru gewesen, und es ging durch bis zur Cabana Plaiul Foii. Die
Zeit war seither schnell vergangen. In uns war der Gedanke gereift, wieder einmal im Winter
zusammen in die Berge zu gehen. Es sollte diesmal anders werden. Anders – d. h. mit
Skiern und in einem anderen Teil der Südkarpaten.
Mit dem letzten Bus fahren wir bis Borlova bzw. bis nahe der unteren Seilbahnstation. Auf den letzten Metern hatte unser Bus im Schnee seine Schwierigkeiten; es war kein Vorwärtskommen mehr. Kurz entschlossen schultern wir unser Gepäck und gehen die Wegstrecke zu Fuß. Wollten wir uns den mühevollen und zu dieser Tageszeit unangenehmen Aufstieg in der Finsternis ersparen, mussten wir uns beeilen. Nur unser Gepäck (Rucksäcke, Zelt, Skier) veranlasste den Betreuer der Seilbahn, für uns die Fahrt noch zu ermöglichen. Endlich sind wir oben und bekommen Platz in einer Hütte.
Dieser Tag macht uns erst einmal mit dem herrlichen Skigelände des Gebietes um den
Muntele Mic bekannt. Doch leider können wir die vorzüglichen Hänge nicht für Abfahrten
nutzen, denn wir müssen mit Gepäck (25 kg) hinauf und dann wieder hinab, wo die
ungewohnte Lastverteilung zunächst zu unliebsamer Bekanntschaft mit dem Schnee führt.
Hier benutzen wir erstmals Steigfelle, die uns den Anstieg ungeheuer erleichtern. Walter
versucht es mit Wachs, muss aber feststellen, dass er damit viel (Papp-) Schnee
herumschleppt. Wir kratzen und lösen es mit dem für uns kostbaren Kochbenzin wieder ab.
Nach einer Pause, Anstiegen, Abfahrten und Anstiegen, endlich die untere Wetterstation
Cuntu. Vor uns steht noch der Anstieg zur Wetterstation Ţarcu, wo wir zelten wollen. Der
Schnee im oberen Teil ist hart gefroren und sehr glatt, so dass die Skier nur auf dem Rücken
gut sind. Das Angebot des Leiters der Wetterstation, in der Hütte zu übernachten, wird
dankend angenommen. Uns ist kein Platz zu klein; für drei Schlafsäcke findet sich immer
eine Ecke.
Wir hatten an diesem Tag ein phantastisches und für diese Gegend wohl selten schönes
Wetter mit viel Sonne, blauem Himmel und Windstille.
Der Morgen ist neblig. Die Hunde begleiten uns ein ganzes Stück, ehe wir dann in ständiger Abfahrt bis zur Şaua Scheiului gelangen. Hier entscheidet sich unsere weitere Tour. Schlechte Wetteraussichten im Godeanugebiet und die mangelnde Markierung dort veranlassen uns, den Retezat über den Stutensattel anzugehen. Um 4 Uhr nachmittags sind wir im Sattel und fahren zu einem windgeschützten und sehr romantischen Fleckchen am Waldesrand ab, wo wir unser Zelt aufbauen. Das übliche Abendbrot, Suppe, Tee, Käse und Speck, schmeckt uns nach einem anstrengenden Tag besser als ein Essen in irgendeiner Gaststätte.
Von unserem schönen Zeltplatz trennen wir uns nur ungern. Die Ufer eines Baches sind
noch mit Schnee bedeckt, doch auf den Erdflecken, die der Sonne ausgesetzt sind, zeigen
sich schon Schneeglöckchen und vermitteln die ersten Frühlingsgrüße in dieser
Winterlandschaft.
Es geht steil in das Corciova-Tal hinab über Schnee, Laub und Schmutz, so dass wir
entsprechend aussehen. Wir kommen aus dem Winter des Gebirges und tauchen hinein in
den Frühling der Täler. Nach einer mehrstündigen Wanderung können wir uns ein ruhiges
Sonnenstündchen bei der Cabana Gura Apei nicht verkneifen. Umso schwerer fällt uns dann
der Aufbruch. Es geht wieder durch Schnee, aber mit den Brettern auf dem Rücken. Dabei
verlieren wir auch oft den richtigen Weg. Endlich schlagen wir am späten Nachmittag unser
Zelt auf dem Zlata-Kamm auf und genießen die herrliche Abendstimmung.
Es hat in der Nacht ununterbrochen geschneit, etwa 15 cm Schnee liegen auch auf unserem Zelt. Da es noch etwas neblig ist, bleiben wir zunächst liegen. Wir kommen an diesem Tag spät weg und gehen mit den Skiern bis zum Zănoaga-See. Wir zelten im Judele-Tal. Über die Kämme treibt der Wind Schneefahnen. Doch hier ist es fast windstill, keine Wolken, blauer Himmel. Wir haben einen herrlichen Blick auf den kleinen Retezat.
An diesem Tag gab es einige gefährliche Abschnitte zu meistern. Nach dem Herausschälen aus den Schlafsäcken und dem Frühstück (das gönnen wir uns jeden Morgen ausgiebig und in Ruhe) packen wir unsere Sachen zusammen. Als wir endlich um 9 Uhr weg wollen, ist Walters Steigfell kaputt, und wir müssen noch nähen. Vom Judele-Tal steigen wir zum Slăvei auf (SW-Kamm) und benützen dafür eine Abkürzung – das ist nur im Winter möglich, wenn man über die verschneiten Latschen steigen kann; doch da der Anstieg zu steil ist, müssen wir die Bretter tragen. Vom Slăvei-Kamm wollen wir, einen Steilhang querend, abfahren. Da bemerkt Walter den Abriss von Schnee. Lawinengefahr! Also schnell zurück und dann unter Einhaltung von Vorsichtsmaßregeln (Lawinenschnur) einen nicht ganz so spektakulären, aber auch steilen Hang zu Fuß hinunter. Nach dem Ana-See geht es wieder hinauf, und endlich sind wir am Bucura-See. Zu all dem kam an diesem Tag noch der ständige Schneefall hinzu, und es hörte auch in der Nacht nicht auf zu schneien.
20 cm Neuschnee in der Nacht, ein phantastisches Weiß. Wir müssen heute Brot holen (die andere Verpflegung war ausreichend vorhanden). In die Pietrile-Hütte können wir nicht, da der Abstieg von der Custura Bucurii sehr lawinengefährdet ist. So beschließen wir, zur Buta- Hütte zu laufen – natürlich mit den Skiern. Wir lassen das Zelt auf (!) dem Bucura-See zurück und gehen erstmals ohne Gepäck los. Es ist eine Erholung. Endlich sind wir bei der Gura Bucurii und steigen zum Plaiu-Mic-Sattel auf. Tief unter uns die Hütte. In Serpentinen geht es abwärts. Es schneit den ganzen Tag, so dass wir nach einem ausgiebigen Abendbrot beschließen, die Nacht in der Cabana Buta zu verbringen und erst am nächsten Tag zu unserem Zelt zurückzulaufen.
Dieser Tag sieht uns nicht allzu aktiv. Wir laufen von der Hütte in den Nebel hinein, der immer dichter wird. Am Bucura-See schneit es den Rest des Tages. Wir hocken uns ins Zelt, essen und fachsimpeln über die Bergwelt.
Wir können erst lange nicht aus dem Zelt, weil das Wetter zu schlecht ist: grauer Himmel, milchigweiße Sonne, Windfahnen von Schnee – richtiges Blizzardwetter. Es hat die ganze Nacht geschneit (30 – 50 cm) und gestürmt. Als dann die Sonne doch hervorkommt, entschließen wir uns, nach dem Frühstück die Peleaga zu besteigen. Der Aufstieg ist zu dieser Jahreszeit nicht ganz ungefährlich, und der Anstieg zur Curmătura Bucurii fast Wahnsinn, denn die Hänge sind lawinengefährdet. Am Grat erwischt es dann auch Fritz, der etwa 10 – 20 m absaust. Zum Glück geht es glimpflich ab, und wir können den Weg auf dem Grat fortsetzen. Trotz des schlechten Wetters am Morgen genießen wir den phantastischen Anblick des winterlichen Gebirges. Das entschädigt für alle Anstrengungen.
Wieder hat es die ganze Nacht geschneit; doch der Wind war im Kessel nicht sehr stark. Draußen ist eine Waschküche und keine Sicht. Es ist schwer, in so einer Situation etwas Vernünftiges zu unternehmen, doch ich möchte auf jeden Fall auch bei diesem Wetter auf den Retezat-Gipfel. Bis zum Grat (Curmătura Bucurii) läuft es sich trotz des tiefen Schnees einigermaßen gut. Oben macht ein starker Wind, der zwischen Bucura-Gipfel und Retezat- Sattel in einen orkanartigen Sturm übergeht und Eiskristalle in Stirn und Augen treibt, so dass man oft mit dem Rücken zum Sturm gehen muss, das Laufen zur Tortur. Der Aufenthalt auf der Spitze ist unangenehm wegen des Windes und ohne jede Aussicht wegen des Nebels. Der Rückweg ist unproblematisch, und am frühen Nachmittag sind wir wieder gemeinsam im Zelt. An Abstieg ist heute nicht mehr zu denken. Er erfolgt am nächsten Tag über Cabana Buta.
Nach verlassen des Zeltes, das inzwischen von einem 50 cm hohen Wall aus Schnee umgeben ist, packen wir bei Nebel, Kälte und Wind ein. Bis zur Cabana Buta kennen wir zwar den Weg, aber mit dem schweren Gepäck habe ich besonders bei den steilen Abfahrten Schwierigkeiten. Nach einem guten Mittagmahl in der Cabana Buta geht es weiter hinab und auch noch auf der Forststraße mit Skiern. Dann ist es vorbei mit dem Schnee, und wir laufen bei Câmpu lui Neag wieder in den Frühling hinein. 20 Uhr fährt unser Bus nach Petroşani. Unser Bergabenteuer ist zu Ende.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 79, S. 114 – 119)
Seite | Bildunterschrift |
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114 | Ohne Titel |
116 | Wetterstation Ţarcu |
117 | Über den Wolken im Ţarcu-Gebirge. |
119 | Zelten am Zlata-Kamm. An Schnee zum Kochen ist kein Mangel. |