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Zu Besuch in Rumänien

Der falsche Königstein

von Elke Küchler, Dresden

Im August 1975 reisten wir mit der Eisenbahn von Dresden nach Sofia, um unseren Urlaub in Bulgarien zu verbringen. Am zweiten Morgen unserer Fahrt erwachten wir durch laute Begeisterungsrufe anderer Mitreisender und wurden sofort munter. Gewaltige Felswände, von der Morgensonne beschienen, zogen vor unseren Augen vorüber. Um die höchsten Spitzen wallten noch die Wolken und machten das Gebirge noch imposanter. Gebannt schauten wir aus dem Fenster. Beim Passieren der nächsten Ortschaft gelang es uns, deren Namen am Bahnhof zu erhaschen: Sinaia. Nun kannten wir damals Rumänien noch nicht, hatten aber von vielen Bekannten begeisterte Schilderungen der Karpatenlandschaften gehört.
In unserem Reisegepäck befand sich eine alte Autokarte Rumäniens. Sinaia war schnell gefunden, daneben stand der Name eines Gebirges: Bucegi. Ein Bekannter hatte uns zu Hause sehr viel von einem Gebirge namens Königstein erzählt, es läge unweit von Braşov. Seine Beschreibung traf haargenau auf das soeben Gesehene zu. Kühn übersetzten wir also den Namen Bucegi in Königstein ins Deutsche und beschlossen, diesem Gebirge auf der Rückfahrt noch 2 oder 3 Tage zu widmen. So geschah es auch. Eingedenk des Hinweises unseres Bekannten, von „hinten“ an den Königstein heranzugehen, da diese Seite schöner sei, beschlossen wir anhand unserer „guten“ Karte bis Bran zu fahren. Ohne jegliche Kenntnis der rumänischen Sprache gelang es uns relativ schnell, einen Bus zu finden, der über Bran fuhr. Dort standen wir dann ziemlich ratlos unterhalb der Burg ohne Wanderkarte und sahen kein Gebirge. Die Rettung nahte in Form einer großen Tafel mit einer Karte vom Bucegi – Gebirge. Nun wieder mit einem Ziel vor Augen, stiegen wir einen markierten Weg in unseren vermeintlichen „Königstein“. Gegen Abend suchten wir uns ein kleines Wiesentälchen als Zeltplatz, ließen uns dort häuslich nieder und wollten gerade in unsere Schlafsäcke kriechen, als Stimmen ertönten. Zwei rumänische Wandersleute wurden unsere Nachbarn. Da einer von ihnen etwas Deutsch konnte, unterhielten wir uns, und es stellte sich heraus, dass beide aus dem Königstein kamen und in die Bucegi wollten. Erst glaubten wir, wir hätten uns verhört, aber als wir dann eine Wanderkarte vom Königstein sahen mit der Aufschrift Piatra Craiului wurde klar, das wir im falschen Gebirge waren. Bereut haben wir das aber nicht, denn der Aufstieg zum Omul von der Braner Seite ließ uns die Karpaten kennen und lieben lernen. In Sinaia dann sahen wir auch die Felswände wieder, die uns hierher gelockt hatten, und waren aufs Neue begeistert.
Zu Hause begannen wir uns intensiver mit Rumänien zu beschäftigen, vor allem die „Komm mit“-Bände wurden eingehend studiert. In Gedanken reisten wir schon wieder durchs Land. Aber jedes Mal, wenn die Namen Bucegi oder Königstein auftauchten, dachten wir lachend an unsere erste Begegnung mit Rumänien zurück, die noch lange nicht die letzte war.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 78, S. 165 – 166)

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