home - Komm mit - 1978 - Das Biwak in der Nera-Klamm
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Zu Besuch in Rumänien

Das Biwak in der Nera-Klamm

Zwei Tage schon war die Nera unser treuer Begleiter. In Şopotul Nou hatten wir sie getroffen und waren ihr dann flussabwärts gefolgt, an Maisfeldern und Obstgärten vorbei, durch schattige Laubwälder, über liebliche Wiesenflecken, hatten an ihrem Ufer unsere Zelte aufgeschlagen, abends am Feuer Speck gebraten, Lieder gesungen und dem Rauschen des Flusses gelauscht, waren an tiefen Stellen in den Fluss gesprungen und hatten uns in seinen Fluten getummelt.
Immer enger drängten sich die Felswände zusammen, tief in den Fels gehauen schlängelte sich der Weg den Fluss entlang. Stellenweise war er so schmal, dass wir Schwierigkeiten hatten, mit unseren großen Rucksäcken vorwärts zu kommen. Das Schicksal unseres Brotes wollten wir auch nicht teilen, welches sich lustig in einem Strudelloch drehte, nachdem es aus Ekkis Rucksack rutschte. Da eine Höhle. Mit Taschenlampenbewaffnet klettern wir schräge Wände hinauf, balancieren über wacklige Steine, entdecken ständig neue Wunder, versteinerte Vorhänge und Wasserfälle, überall, wohin der Strahl unserer Lampen fällt, glitzert und gleißt es. Lehmverschmiert und noch völlig im Banne der steinernen Welt kehren wir ans Licht zurück. Inzwischen ist es spät geworden, die Dämmerung kriecht durch das Tal. Es wird Zeit, einen Platz zum Zelten zu suchen. Aber überall nur Felsen und dichter Wald. Urplötzlich ist der Weg zu Ende, am anderen Ufer kann man gerade noch das Wegzeichen erkennen. Da hilft alles nichts, Schuhe und Strümpfe in der Hand, balancieren wir über den steinigen Neragrund. Mit 20 kg auf dem Rücken ist eine solche Durchquerung allerdings kein Vergnügen. Kaum am anderen Ufer angekommen, nahte das nächste Hindernis. Der Weg wird so schmal, dass wir uns nur von Steinrippe zu Steinrippe vorwärts tasten können, immer darauf bedacht, dass die Hände gute Griffe in der Wand finden. Als alle wieder ein breites Felsband unter den Füßen hatten, brach die Dunkelheit völlig über uns herein. Ein Weitermarsch wäre zu gefährlich geworden. Der in den Fels gehauene Weg erwies sich als idealer Überhang. Jeder suchte sich ein ebenes Fleckchen als Schlafplatz, rollte dort Matte und Schlafsack aus, an zwei Stricken wurde der Topf ins Wasser abgelassen und gefüllt wieder emporgezogen, der Kocher knatterte lustig mit dem Rauschen des Flusses um die Wette. Heißen Feldkümmeltee schlürfend, saßen wir gemütlich am Feuer und genossen unseren Biwakplatz. Ideal erwies es sich des Nachts, als ein Gewitter tobte und der Himmel alle Schleusen öffnete. Warm und trocken sitzend schauten wir fasziniert auf das Toben der Elemente, gespenstisch erhellten Blitze das Tal, der Donner grollte ohne Ende. Vom Rauschen des Regens eingeschläfert, riss uns lautes Schimpfen wieder aus dem Schlaf, eine Kröte hatte sich in unseren Winkel geflüchtet und rekelte sich auf Ekkis Schlafsack.
Am Morgen weckte uns die Sonne, der Himmel strahlte im schönsten Blau. Nur die lehmig- gelben Fluten zeugten noch von dem Unwetter der vergangenen Nacht.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 78, S. 164 – 165)

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