Zu Besuch in Rumänien
Zwei Tage schon war die Nera unser treuer Begleiter. In Şopotul Nou hatten wir sie getroffen
und waren ihr dann flussabwärts gefolgt, an Maisfeldern und Obstgärten vorbei, durch
schattige Laubwälder, über liebliche Wiesenflecken, hatten an ihrem Ufer unsere Zelte
aufgeschlagen, abends am Feuer Speck gebraten, Lieder gesungen und dem Rauschen des
Flusses gelauscht, waren an tiefen Stellen in den Fluss gesprungen und hatten uns in seinen
Fluten getummelt.
Immer enger drängten sich die Felswände zusammen, tief in den Fels gehauen schlängelte
sich der Weg den Fluss entlang. Stellenweise war er so schmal, dass wir Schwierigkeiten
hatten, mit unseren großen Rucksäcken vorwärts zu kommen. Das Schicksal unseres Brotes
wollten wir auch nicht teilen, welches sich lustig in einem Strudelloch drehte, nachdem es
aus Ekkis Rucksack rutschte. Da eine Höhle. Mit Taschenlampenbewaffnet klettern wir
schräge Wände hinauf, balancieren über wacklige Steine, entdecken ständig neue Wunder,
versteinerte Vorhänge und Wasserfälle, überall, wohin der Strahl unserer Lampen fällt,
glitzert und gleißt es. Lehmverschmiert und noch völlig im Banne der steinernen Welt kehren
wir ans Licht zurück. Inzwischen ist es spät geworden, die Dämmerung kriecht durch das
Tal. Es wird Zeit, einen Platz zum Zelten zu suchen. Aber überall nur Felsen und dichter
Wald. Urplötzlich ist der Weg zu Ende, am anderen Ufer kann man gerade noch das
Wegzeichen erkennen. Da hilft alles nichts, Schuhe und Strümpfe in der Hand, balancieren
wir über den steinigen Neragrund. Mit 20 kg auf dem Rücken ist eine solche Durchquerung
allerdings kein Vergnügen. Kaum am anderen Ufer angekommen, nahte das nächste
Hindernis. Der Weg wird so schmal, dass wir uns nur von Steinrippe zu Steinrippe vorwärts
tasten können, immer darauf bedacht, dass die Hände gute Griffe in der Wand finden. Als
alle wieder ein breites Felsband unter den Füßen hatten, brach die Dunkelheit völlig über uns
herein. Ein Weitermarsch wäre zu gefährlich geworden. Der in den Fels gehauene Weg
erwies sich als idealer Überhang. Jeder suchte sich ein ebenes Fleckchen als Schlafplatz,
rollte dort Matte und Schlafsack aus, an zwei Stricken wurde der Topf ins Wasser
abgelassen und gefüllt wieder emporgezogen, der Kocher knatterte lustig mit dem Rauschen
des Flusses um die Wette. Heißen Feldkümmeltee schlürfend, saßen wir gemütlich am
Feuer und genossen unseren Biwakplatz. Ideal erwies es sich des Nachts, als ein Gewitter
tobte und der Himmel alle Schleusen öffnete. Warm und trocken sitzend schauten wir
fasziniert auf das Toben der Elemente, gespenstisch erhellten Blitze das Tal, der Donner
grollte ohne Ende. Vom Rauschen des Regens eingeschläfert, riss uns lautes Schimpfen
wieder aus dem Schlaf, eine Kröte hatte sich in unseren Winkel geflüchtet und rekelte sich
auf Ekkis Schlafsack.
Am Morgen weckte uns die Sonne, der Himmel strahlte im schönsten Blau. Nur die lehmig-
gelben Fluten zeugten noch von dem Unwetter der vergangenen Nacht.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 78, S. 164 – 165)