Einladung zu einer Autotour von einem oder beliebig vielen Tagen
von Franz Engelmann (Text) und Walther Konschitzky (Fotos)
Von der „Transfogarascher“ haben Sie gehört, von der „Transbanater“ noch nicht? Na ja, ist ja auch nicht weiter verwunderlich, denn erstens ist dies eine erstmals im Druck verwendete Neuprägung und außerdem fragen Sie zu Recht: Welche? Denn mindestens ein halbes Dutzend Straßen durchziehen diese Landschaft kreuz und quer von einem Ende zum anderen, und fast jede führt auch ein längeres oder kürzeres Stück durch die Banater Berge. Welche also?
Unsere „Transbanater“ ist das zum Teil noch ganz neue Asphaltband, das von Orawitza
ostwärts bis ins Cernatal unweit von Mehadia und Herkulesbad führt, und den Namen, der
natürlich auch auf keiner Karte und vorläufig auch noch in keinem Reisebuch vermerkt ist,
haben auch nicht wir erfunden, sondern es prägte ihn eine junge Aninaerin, die ihre
heimatliche Bergwelt so liebt, wie wahrscheinlich auch Sie bald die Landschaft, in der sich
liebliche Wald- und Wieseneinsamkeit mit den grandiosesten Karstschluchten, emsiges
menschliches Schaffen und unberührte Natur so einmalig vereinen, liebgewinnen werden,
wenn Sie unserer Einladung folgen.
Zunächst, damit Sie wissen, wie viel Benzin man im Tank haben muss, ein paar technische
Hinweise: Wählen wir als Ausgangspunkt Temesvar. Dann geht es die E 94 südwärts bis
Morawitza (59 Kilometer), dann auf der Zweigstraße südostwärts über Großscham und
Grădinari bis Orawitza (104 Kilometer). Hier beginnt nun die eigentliche Trasse, von der im
folgenden die Rede sein soll, weshalb wir vorläufig nur so viel sagen wollen, dass sie nach
genau weiteren hundert Kilometern teils recht steiler und kurvenreicher Bergstraße bei
Cruşovăţ wieder in die E 94 einmündet. Und wenn wir dieser nun – diesmal nordwärts –
folgen, sind wir nach weiteren 163 Kilometern über Karansebesch und Lugosch wieder in
Temesvar. Der ausländische Tourist, der beim Grenzpunkt Morawitza ins Land kommt, kann
auch gleich ostwärts abbiegen und hat dann nur 145 Kilometer bis zur Anschlussstelle an die
E 94, von wo er nach Belieben in Richtung Bukarest oder Temesvar weiterfahren kann, oder
auch über Karansebesch und Hatzeg nach Siebenbürgen, und bis Herkulesbad ist es nur
noch ein Katzensprung von einer halben Autostunde.
Die ganze Strecke ist glattes Asphaltband, und auch die Abstecher, die wir im folgenden
empfehlen werden, sind größtenteils auf Asphalt oder zumindest auf leidlich guten
Seitenstraßen zu machen. Alle Trassen sind übrigens ziemlich dicht von Linienbussen, zum
Teil auch von Fahrzeugen des Stadtverkehrs von Orawitza und Anina befahren, so dass
man sich auch ruhig ohne eigenes Verkehrsmittel auf den Weg machen kann.
Also summa summarum von Temesvar und wieder dorthin zurück 367 Kilometer? Das
schafft man doch ohne weiteres in einem Tag. Selbstverständlich, die ganze „Transbanater“
ist für den Temesvarer bereits in Wochenend-Reichweite gerückt, aber was wir Ihnen hier
vorschlagen, ist denn doch schon einen ganzen langen Sommerurlaub wert. Es darf auch
Herbst sein, dann ist die Landschaft in der Glut von Rot und Gold vielleicht sogar noch
schöner, und auch im Winter ist die Straße normalerweise und mit den nötigen Ausrüstungen
immer befahrbar.
Also Orawitza. Dieses Städtchen allein ist schon eine Reise wert. Eine Empfehlung voraus:
Orawitza ist einer der „Wärmepole“ des Landes, hat das gleiche Jahresmittel wie Mangalia,
der südlichste Badeort an Rumäniens Schwarzmeerküste, allerdings ohne dessen
sengender Sommerhitze, dafür aber mit außerordentlich milden Wintern, wobei die
Quecksilbersäule oft um zwanzig Grad mehr zeigt als bei den „Kältepolen“ in den
Ostkarpatensenken (dort wurden Temperaturen von mehr als – 40 °C gemessen ☺). Die
Stadt grüßt mit ihrem neuesten Teil, auch gleich mit dem neuesten Hotel, und man kann hier,
wie auch am anderen Ende, in der ebenso neuen Schutzhütte hoch über dem „Großen“ und
dem „Kleinen Teich“, den beiden Stauseen, die Orawitza bergwärts abschließen,
übernachten. Und zwischen diesen beiden Endpunkten erstreckt sich, schmal durchs Tal
gewunden, auf fast sieben Kilometer Länge und in der durchschnittlichen Höhe von 250
Meter über dem Meer, die Stadt, in der sich – Orawitza ist ja das älteste Zentrum des
Banater Bergbaus – Alt und Neu harmonisch mischen entlang der engen, sich nur
stellenweise in zwei Einbahnbänder gabelnden Hauptstraße. Der Bach murmelt neben dem
Quaderstein-Fahrdamm, und romantische alte Bogenbrücken spannen sich direkt zum
Hauseingang. Von Alt-Orawitza sollte man zumindest das Theater gesehen haben, das
älteste in seiner ursprünglichen Form erhalten gebliebene Theatergebäude des ganzen
Landes, seit dessen Eröffnung genau 160 Jahre vergangen sind: Mit seinen wunderschönen,
gepflegten Barocksaal und dem vor wenigen Jahren eingerichteten heimatkundlichen und
kulturgeschichtlichen Museum ist es eine der bedeutendsten baulichen Sehenswürdigkeiten
des ganzen Banater Berglands.
Und wenn man schon in Orawitza ist, sollte man auch die Sehenswürdigkeiten der
Umgebung nicht links liegen lassen. Nicht den „Großen“ und den „Kleinen Teich“. 1730
angelegt und somit zwei der allerältesten Stauseen des Banater Berglands, wo man
schwimmen und rudern kann, nicht die „Holler-(Flieder-)Wiese“, nicht den Simion, mit seinen
902 Metern der höchste Aussichtsberg der Umgebung – alles zu Fuß in einer bis drei
Stunden zu erreichen. Und natürlich sollten Sie auch nach Tschiklowa fahren – mit dem
Wagen machen Sie’s in einer Viertelstunde –, wo die wiedereröffnete Brauerei den rund
zweihundertfünfzigjährigen guten Ruf des Tschiklowaer Biers weiterführt. Nur die berühmte
„Manierschul’“, die’s hier gegeben haben soll, werden Sie vergeblich suchen. Dafür aber
können Sie hinaufwandern zur einsamen „Călugăra“ und noch höher – schon eine richtige
Bergtour – zum zerklüfteten Gipfel der Roll (979 m).
Wenn Sie übrigens mit dem Wagen unterwegs sind, sind Sie schon in Orawitza vor eine
harte Wahl gestellt: Soll man oder soll man nicht – für ein paar Stunden auf die Eisenbahn
umsteigen? Wir würden es Ihnen wärmstens empfehlen, denn das Erlebnis einer Fahrt auf
der ältesten und noch immer landschaftlich reizvollsten Bergbahn des Landes, der „Banater
Semmering-Bahn“ mit ihren vierzehn Tunnels und den schwindelnd hohen Talbrücken über
düsteren Waldschluchten bietet sich vielleicht nicht noch einmal. Auch wenn Sie nachher von
Anina wieder zurück müssen, um auf eigener Achse den Weg fortzusetzen.
Dieser führt nun von Orawitza an den beiden „Teichen“ vorbei mitten in den Banater Karst
hinein. In steilen Haarnadelserpentinen geht’s hinauf zum großen Sanatorium von Marilla
(706 m), von wo Sie nochmals einen großartigen Ausblick auf das tief im Tal liegende
Orawitza haben. Weiter geht’s über die neue Asphaltstraße – pardon, nur der Asphalt ist
neu, die Straße selbst wurde vor genau 130 Jahren, nämlich 1847, angelegt – über eine
leicht gewellte, waldbedeckte und dolinenübersäte Karsthochfläche an den Forsthäusern Lup
und Puşcaş vorbei zum höchsten Punkt der ganzen „Transbanater“, der Clofat-Höhe – „am
Friedelkreuz“ heißt der Platz auch noch, 741 Meter über dem Meer. Und dann abermals in
steilen und engen Serpentinen hinab nach Steierdorf, dem südlichsten – und ältesten –
Stadtteil von Anina.
Sie hat ihren eigenen Reiz, diese ehemalige Wald- und spätere Bergarbeitersiedlung:
Weithin ziehen sich die schmucken, kleinen Wohnhäuser über den Stocker- und
Schmaranzerberg, das Fuchsen- und das Kerntal und die „Sommerfrische“ hinauf. Drüben
ragt das schwärzliche Gebälk der Fördertürme des Ponor- und des Kolonieschachtes, längs
der Straße aber blühen in gewolltem Kontrast die buntesten Blumen, die man sich nur
denken kann, in den Vorgärten. Der Sigismund-Sattel – höchster Punkt im bebauten
Weichbild der Stadt (679 m) – führt hinüber in das eigentliche Bergbauzentrum Anina. Doch
sollten Sie hier auf dem Sattel unbedingt halt machen und hinaufschreiten zum mächtigen
Mahnmahl für die Opfer der größten Grubenkatastrophe aus der Geschichte des Banater
Bergbaus: 182 Menschen fanden den Tod bei der furchtbaren Explosion vom 7. Juli 1920,
und die meisten von ihnen wurden hier in dem großen Massengrab zur Ruhe gebettet.
Sie können übrigens gleich vom Friedhof rechts abbiegen und kommen schon nach einem
knappen Kilometer zu den beiden Touristenhäusern auf der „Majaluswiese“. Ja, so nahe zu
den rauchenden Schloten und ragenden Schachttürmen liegen hier die Erholungsstätten.
Und hier, vom Berghotel „Diana“ aus, können Sie dann ganz nach Belieben in wenigen
Stunden zu Fuß – oder wenigen Minuten per Auto – hinauf zum waldumrauschten,
forellendurchschwirrten Stausee Buhui, zum Cuptoare-Sattel, wo Sie gleich hart am
Straßenrand die interessantesten Karstphänomene studieren können – unter anderem auch
die drei Eingänge der schwer zugänglichen, mehrere Kilometer langen Buhui-Höhle, von
einem unterirdischen Bach durchflossen und gleichzeitig das natürliche Filter für die Aninaer
Trinkwasserleitung – oder weiter bis zum Stausee Mărghitaş gelangen. Zwischen
zerklüfteten Felswänden und sumpfigen Schilfufern gelegen, ist er ein Stück Landschaft von
eigenem Reiz, man kann baden, rudern und fischen, und vom neuen Berghotel auf der
Hochfläche über dem See geht’s weiter auf glattem Asphalt nach Anina zurück und südwärts
bis Steierdorf in den grandiosesten Abschnitt der „Transbanater“ hinein. Doch sollte man
vorher – zu Fuß natürlich – noch das Höhlensystem Ponor-Plopa besucht haben, und –
wenn man dazu mindestens einen ganzen Tag Zeit hat – das Urwald-Naturschutzgebiet im
Beuşniţa-Tal mit seiner einmaligen Kaskadenreihe und der tiefblauen Karstquelle Okubee.
Aber weiter von Steierdorf: Es geht die Hauptstraße in südöstlicher Richtung weiter, durchs
Mühltal hinein in die große Minisch-Schlucht. Vorspiel nach etwa vier Kilometern: In steilen
Windungen senkt sich die Straße und überspringt die etwa 50 Meter hohe Talschwelle.
himmelhoch ragen die Felswände zu beiden Seiten empor, rechts und links vom Tal gähnen
Höhlenmäuler, der Legende nach einst Schlupfwinkel und Stützpunkte der Heiduckenschar
des Adam Neamţu. Wo sich das Tal wieder weitet, liegt die kleine Siedlung Minisch-Tal.
Doch bald verengt sich das Tal wieder, und bei der „Gura Golimbului“ stehen gastlich die
beiden funkelnagelneuen Zwillingshäuser einer Touristenherberge, wo Sie übernachten
können. So eng ist hier das Tal, dass die Straße buchstäblich in die bald rostroten, bald
blendend weißen, irgendwo in unwahrscheinlicher Höhe in zerrissenem Kamm gipfelnden
Kahlwände gesprengt werden musste.
In der nächsten Talaue führt nach rechts eine Zweigstraße hinauf zu dem kleinen Luftkurort
Poneasca, und dann verengt sich das Tal neuerlich zur dritten Klamm am Minischlauf.
Unerwartet erscheint gleich links jenseits des Baches der silberne Schleier eines
Wasserfalls, und eine Brücke führt hinüber zum sauberen Rastplatz mit Tisch und Bank. Ein
Pfeil, fünfsprachig beschriftet, zeigt direkt hinunter zum Bach: „Trinkwasser hier“. Ja, so
wenig hat hier noch die Umweltverschmutzung um sich gegriffen, dass Sie ruhig direkt aus
dem Bach trinken können, und selbst von dem üblichen Zivilisationsmüll der
Konservenbüchsen und Butterpapiere, die andernorts so hässlich unsere Bergwelt
verunzieren, ist hier kaum was zu sehen. Doch sie sollten nicht auf dem Rastplatz halt
machen, sondern unbedingt das kurze, steile Felstal – es ist eine einzige Kette von größeren
und kleineren Wasserfällen – hinaufsteigen bis zu seinem Ende, wo unter ragenden
Felswänden die Bigărquelle, einer der größten Karstsprudel des Banater Berglands,
hervorquillt, dessen ehemalig klarer Spiegel jetzt leider nicht ohne Zutun unverantwortlicher
Menschen hoffnungslos vermurt ist.
Gleich nach dem Aufbruch vom Rastplatz quert plötzlich ein kräftiger, doppelter weißer
Farbstrich die Straße. Nur keine Sorge, es ist kein Halt gebietendes Verkehrszeichen,
sondern man will Sie bloß erinnern, dass Sie hier, genau beim Bigăr-Wasserfall, den 45.
Breitengrad überqueren, dass diese Landschaft also genau in der Mitte zwischen dem
Äquator und dem Pol liegt.
Noch einmal drängen die Felswände eng an die Straße, dann weitet sich das Tal; 32
Kilometer nach Steierdorf erreichen wir das kleine Städtchen Bosowitsch, Hauptort einer
eigenen – und eigentümlichen – Banater Landschaft, Heimstätte großer historischer
Vergangenheit und Pflegestätte alten rumänischen Brauchtums: die Almasch-Senke.
Wer noch das großartigste Wunder des Banater Karsts, die längste Durchbruchschlucht
unseres Landes überhaupt, „mitnehmen“ will, biegt von hier südwestlich ab nach Şopotul
Nou (20 Kilometer, davon vorläufig die Hälfte asphaltiert), am Eingang der zweiundzwanzig
Kilometer langen Nera-Klamm.
Doch das gehört eigentlich schon auf eine andere Route. Der „Transbanater“ folgen wir
weiter ostwärts durch die schönen, breit hingelagerten Almasch-Dörfer. Stattliche neue
Bauernhäuser, teils noch ziegelrot, teils mit den buntesten Wandkacheln verkleidet, zeugen
vom Wohlstand der reichen Obstgegend. Von Prilipeţ, dem ersten Dorf nach Bosowitsch,
lohnt sich ein Abstecher von etwa sieben, acht Kilometer nach Süden zur Heimatgemeinde
des Banater 1848er Revolutionärs Eftimie Murgu, die heute seinen Namen trägt, und in die
Rudăria-Klamm. Weniger der Landschaft zuliebe – Großartigeres als die schon erlebte
Minisch-Klamm kann sie nicht mehr bieten –, sondern vielmehr wegen den kleinen
Wassermühlen, die noch munter am Bach klappern, lebendige und noch immer produktive
Zeugen alter bäuerlicher Technik.
Nächste Ortschaft Prigor. Gleich hinter dem Dorf hat die Almasch-Senke ein Ende, wir
fahren in die beklemmende Enge der Prigor-Schlucht ein: Links der Straße türmen sich die
Felswände in eigenwilligen, waagerechten oder steil anstrebenden, oft auch phantastisch
gewölbten Schichten von ausgewaschenem weichem, rötlichem Sandstein, schwarzkantig
ragen dünne Linien härteren Gesteins hervor, und rechts in der Tiefe steht ein winzig kleines
Mühlchen – Entschädigung für die, die nicht zur Rudăria-Klamm gefahren sind.
Nach eigenwilligen Mäandern weitet sich wieder das Tal, doch nie mehr zur stattlichen Breite
des Alamscher Landes, und der rötlich-gelbe Sandstein mit den knorrigen schwarzen
Zwischenschichten begleitet uns weiter, auch an Borlovenii-Noi und Globul Craiovei vorbei
bis hinüber nach Petnic, wo wir wieder eigenartigen Zeugen volkstümlicher, altväterlicher
Technik begegnen: Schaufelräder von drei Meter Durchmesser und mehr drehen sich
behäbig im Bach, doch sie bewegen keine Mühlsteine, sondern aus dem glitzernden Kranz
der entlang der Felge befestigten Konservenbüchsen plätschert Wasserstrahl um
Wasserstrahl in die Rinne – Wasser hebt Wasser und spart die Kraft von Menschen oder
Tieren.
Iablaniţa, Eingangstor des Almascher Landes von Osten her. Die „Transbanater“ ist zu Ende,
und nach wenigen Minuten erscheint das Markierungsschild der Fernverkehrsstraße: E 94.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 77, S. 24 – 35)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
25 | Orawitzas altes Theater. |
26 | Moderner Bergbau in Anina. |
27 | Berghotels über dem Marghitaş-See. |
28 | Präludium zur Minisch-Klamm. |
30 | Silberschleier am Rastplatz: der Bigăr-Wasserfall. |
32 | In der Mitte zwischen Pol und Äquator. |
34 | Alltäglich im Banater Karst: Waldarbeiter am Werk. |