Beobachtungen am Bärensee und seinen Satelliten
von Ewalt Zweier
Der See in der Form eines ausgebreiteten Bärenfells ist, geologisch betrachtet, sehr jung. Er
soll nach einer Schreckensnacht im Jahre 1860 durch Dolinensturz entstanden sein. Dolinen
– das sind Karsttrichter im Salzboden. Ein kleiner See verschwand in jener Nacht, drei
Bächlein trafen sich, zwei davon sehr salzreich (bis zu 200 Gramm Kochsalz je Liter
Wasser), die Bächlein füllten den neuentstandenen Trichter, bis ein neuer See entstand, der
an seiner tiefsten Stelle 19 Meter misst. Lacul Ursu, der meist warme und stets salzige
Bärensee, ist sagenumwoben und interessant.
Auf der Landkarte Rumäniens zentral gelegen, vom Hauptverkehr jedoch recht abgelegen,
ist dieser See im Sommer Sammelpunkt für Tausende Urlauber und Tagesausflügler aus der
nahen und ferneren Umgebung. Seine Anziehungskraft beruht auf Heliothermie und
verbürgter Heilwirkung des Wassers (82 Gramm Kochsalz pro Liter). Mit seinem
Gesamtinhalt von über 200.000 Kubikmeter Wasser, einer Oberfläche von fast vier Hektar,
der größten Länge auf der Nord-Süd-Achse von 334 Metern und der größten Breite von 210
Metern bietet der See vielen Besuchern Platz. Selbst in der Hochsaison herrscht nicht
gerade ein solches Menschengewimmel wie in der „Suhle“ von Bad Felix bei Oradea, obwohl
der zum Naturdenkmal erklärte Bärensee durch eine Bojenkette halbiert wurde und die eine
Hälfte, weil der Forschung vorbehalten, für Badegäste tabu ist.
Täglich wird die in verschiedenen Tiefen gemessene Wassertemperatur beim Eingang zum
Freibad mit Kreide angeschrieben. Sie schwankt zwischen 16 und 28 Grad, je nach dem
Stand der Bewölkung, erreicht aber in 2 – 5 Meter Tiefe 30 – 40 Grad Celsius. Auf großen
Tafeln an der Kasse wird in vier Sprachen – rumänisch, ungarisch, deutsch, französisch –
ausführlich erklärt, wie das mit der Heliothermie ist und warum der See von 13 bis 15 Uhr still
ruhen muss, und natürlich auch die ganze Nacht.
Es ist angenehm beim Bärensee. Zum Schluss gewöhnt man sich auch an die allzu häufigen
Pfiffe des strengen Aufsichtspersonals, das die Demarkationslinie mit Argusaugen überwacht
und schon ab 12,30 Uhr mit dem Evakuieren des Freibads beginnt.
Die Badebedingungen sind vorzüglich, von den Umkleideräumen bis zum Schilfmatten- und
Holzfloßverleih, von den Erfrischungsgetränken, dem Kondibetrieb bis zur allgemeinen
Sauberkeit und Ordnung. Attraktion in einer dem Publikum zugänglichen Bucht – man weiß
nicht, ob es nun eine Vorder- oder Hinterpforte des „Bärenfells“ ist – auf den Baumstümpfen
am Ufer bzw. in Ufernähe haben sich manche im Modellieren versucht und eine ganze
Galerie gelungener Köpfe und anderer Plastiken aus Lehm geformt. Ein kunstbeflissenes
siebenjähriges Mädchen wollte immer nur hin schwimmen zu den „Projekten“, wie sie die
Gebilde spontan nannte, und, im warmen Wasser hockend, weitermodellieren.
Wenngleich es da noch den kühlen, schattigen Aluniş-See, den Lacul Negru (Schwarzer
See), wegen Faulschlamm so benannt, den von einer Algendecke überzogenen Lacul Verde
(Grüner See), den kleinen, von Eisenoxid rotbraun gefärbten Lacul Roşu und noch den
kleineren Süßwassersee Lacul Dulce gibt – alle außer dem Grünen See zum Baden
geeignet –, so verdankt der Kurort Sovata im Kreis Mureş sein Entstehen, sein
Bekanntwerden und seine nun wieder sehr rasche und moderne Entwicklung dem Bärensee.
Möglicherweise ist der Neuankömmling nicht gleich begeistert. Die Anfahrt ist nicht in jedem
Falle verlockend: vier Stunden mit der Eisenbahn von Blaj bis Sovata gebummelt, mit fast
einstündigem Aufenthalt im Chemieort Târnăveni, wo die CFR auf den Schichtwechsel der
Pendler Rücksicht nimmt; gar nahezu sieben (!) Stunden mit der Schmalspurbahn von Tg.
Mureş – lassen Sie sich nicht auf dieses Abenteuer ein, außer Sie sind mit Geduld gepanzert
und bummeln gerne –, besser schon, wenn nicht mit dem eigenen Wagen oder dem des
hilfsbereiten Freundes, mit dem Autobus von Tg. Mureş, von Schäßburg oder von Odorheiul
Secuiesc her. Es gibt auch konvenable (zusagende) Schnell-Fernbusse ohne Umsteigen aus
bzw. nach Baia Mare und Piatra Neamţ.
Eine leichte Enttäuschung mag auch die zentrale Fußgängerzone bedeuten, wo man sich
nämlich in einem ausgeprägt alten Kurort befindet, die Villen noch eintönig grün gestrichen –
erst seit kurzem wird auf Hellblau geschaltet –, die charakteristischen Türmchen als
Dachreiter obenauf, das alte Klubhaus mit knarrenden Dielen und engem Treppenaufgang,
den ziemlich kleinen Schach- und Billardzimmern, in denen sich besonders bei Regenwetter
viel Volk versammelt, das ebenfalls volksbelebte „Korso“ mit den gemächlich
dahinschlendernden Kurgästen. Langweile? Nein, denn es gibt doch allerlei Unterhaltung
außer dem Üblichen, wie Kino, Fernsehen, Bibliothek (ziemlich viel Literatur in deutscher
Sprache!) und den verschiedenen Gaststätten.
Wer Zeit und Lust hat, den Ort für sich zu entdecken, der wird sich dann nicht mehr wundern,
wieso die Leute für Sovata schwärmen und nicht nur auf ärztliche Empfehlung oft und gerne
in Sovata Urlaub machen. Die nächste Umgebung ist landschaftlich eine Pracht. Das erkennt
man auf dem Waldweg „Tivoli“, einer idyllisch gelegenen Gaststätte mit Grinzing-
Atmosphäre, oder in der Herberge „Stâna din Vale“, in deren Nähe sich auch ein großer
Zeltplatz wie auf einer Märchenwiese ausbreitet. Empfehlenswert bei entsprechendem
Wetter ein Zwei- bis Dreistundenausflug zum „Schit“, einem auf einsamer Höhe erbauten,
wohl 200jährigen Kirchlein. Die Aussicht von dort in Richtung Praid und das Quellgebiet der
Kleinen Kokel ist ein Genuss. Dicht am Bärensee malerisch gelegen: das neue
Renommierlokal „Casino“ mit guter Küche und tadelloser Bedienung. In geschützter Lage,
modern und komfortabel sind die Bungalows, von in- und ausländischen Touristen sehr
begehrt. Sovata hat jetzt schon 160 Plätze in solch schmucken und praktischen Häuschen.
Was aber den Sprung nach vorne, den Anschluss an neuzeitlichen europäischen
Kurtourismus bezeichnet, das sind vor allem die neuen Hotels: diskret zurückgezogen
„Căprioara“, alles überragend „Sovata“ und ein Meisterstück moderner Architektur im hohen
Buchenwald „Aluniş“. Zu den fast 600 neuen Hotelplätzen, im Sommer 76 überwiegend von
Kurgästen aus Finnland, der BRD, den USA und Ungarn beansprucht, kommen weitere 500
hinzu, in den beiden im Bau befindlichen Hotels nämlich, die mit „Aluniş“ und „Sovata“ und
so auch mit dem modernen Kurzentrum durch ober- und unterirdische Gänge verbunden
sind. Dies im Hinblick auf intensiven Dauerbetrieb, der den Hotelgästen bei jedem Wetter
eine unproblematische Kommunikation mit dem Kurpavillon sichert.
Wie wir von Francisc Nagy, dem stellvertretenden Direktor des OJT-Unternehmens Sovata,
erfahren, verfügte der Kurort im Herbst 1976 über 3340 staatlich verwaltete
Unterkunftsplätze, davon 2585 in Villen mit verschiedenem Komfort, zum Großteil renoviert
und aufpoliert auf Klasse A und 1, sowie 2550 Plätze in Gaststätten. An Tennis-, Federball-
und Kinderspielplätzen wurde auch gedacht.
Die Dienstleistungen des Touristenamtes OJT sind auch in Sovata auf der Höhe. Besonders
die preiswerten, von ausgebildeten und vor allem freundlichen Reiseleitern betreuten
Autocar-Ausflüge nach Târgu Mureş, über Gheorghieni nach Lacul Roşu und Bicaz, nach
Schäßburg oder via Miercurea Ciuc nach Tuşnad. Dort sagt einem Károly Bicsak, der OJT-
Direktor des Kreises Harghita, ein Enthusiast in seinem Beruf: „Unerschöpflich ist die
Perlenkette der Gesundbrunnen im inneren Karpatenbogen. Neben Sovata wird Praid mit
seinen besonders heilkräftigen Quellen eine große Zukunft haben, dann Borsec, Bad
Harghita, Tuşnad, Malnaş, Bodoc, Covasna, Vâlcele usw. In den letzten Jahren haben sich
einige Kurorte schön herausgeputzt, aber die Möglichkeiten sind noch riesengroß.“
Ohne Zweifel: Der Bärensee, Sovata, das Gurghiu-Gebirge, die nähere und weitere
Umgebung sind eine Urlaubsreise wert. Und viele werden nach dem ersten Urlaub hier
gleich Abonnenten.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 77, S. 172 – 176)
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174 | Hotel „Aluniş“ – im Buchenwald verborgen, eines der modernen und schön gelegenen Gebäude des Kurortes Sovata. |
175 | In solchen Bungalows ist gut urlauben. |