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Klettern mit Walter

von Dr. Peter Feige, Dresden

Gestern kam ich mit meiner Familie an die Schwarzmeerküste – Feriendorf Neptun –, wir kannten es schon vom Vorjahr. Nach einem nächtlichen Bad im leicht bewegten Meer gab es dann nur einige Stunden Schlaf für mich. Jetzt steh ich am Fenster im Zug, der mich von Bukarest nach Buşteni führt. Immer wieder fesselte mich der Anblick des Prahovatals, wenn ich diese Strecke entlangfahre. Heute reizt mich nur ein Ziel: die Kletterwege der Bucegi. Ich will mich mit Walter, einem Bukarester Alpinisten, treffen. Das gemeinsame Klettern soll für mich eine Schule sein, denn vertraut bin ich nur mit den Sandsteinfelsen der Sächsischen Schweiz, wo feste Kletterregeln z.B. das Benutzen verschiedener künstlicher Hilfsmittel (wie Trittleitern u. ä.) verbieten.
Wir sind zwei Seilschaften. Mit Dieter und Günter aus Halle bzw. Ilmenau hatten wir uns getroffen. Sie zelten unterhalb der Schutzhütte an der letzten Wasserstelle. Ihnen liegt vor allem daran, „Das Dach“ zu machen – 13 m waagerechte Kletterei mit viel Luft unter den Füßen.
Der Kamin nach dem Überhang ist nass und glitschig, doch mir wird warm dabei. Die anderen senkrechten Stücke überwinde ich mehr oder weniger schnell, wenn ich mich auch oft strecken muss. Walter im Vorstieg schimpft manchmal: „Gib die Seile schneller nach!“ Es soll rasch gehen, doch ich will auch richtig sichern. Ich muss mich auf die Trittleitern einstellen. Schließlich sind wir oben. Oben? Kein Gipfel. Walter sagt nur etwas unprosaisch: „Das war’s.“ Leicht? Schwer? Nein, nicht zu schwer. Etwas ungewohnt noch, vor allem durch die Länge.
Diesen Tag werde ich nicht so schnell vergessen. Es war für mich der härteste Weg. Da „klebe“ ich nun an der Wand und kann kaum noch reden oder rufen, so trocken ist meine Kehle; Hunger – den verspüre ich vor Anstrengung nicht. Aber der Durst ist quälend, dabei würde ein Schluck genügen.
Heut früh fing es gut an. Viorel gesellte sich noch zu uns, doch dann kam der Regen. Es war spät geworden, ehe wir uns auf den Weg machten – fast zu spät. Oben am Zelt schloss sich Günter uns an. Es ging in die Policandru-Wand. Günter ging mit Viorel, dem Arzt aus Bukarest, ich mit Walter „Fisura suspendată – der hängende Riss“ eine V. Im Elbsandsteingebirge war ich zwar schon manche VII a nachgestiegen, doch im Fels war es etwas anderes.
Günter meinte zum Anstieg: „Das war erst 'mal 'ne Gras-III“. Ziemlich steil ging es hinauf zum eigentlichen Beginn des Kletterweges. Wer soll diese Einstiege allein denn finden? Ich war froh, Walter, einen so exzellenten Kenner und Könner der rumänischen Karpaten, meinen Kameraden und Freund nennen zu können. In der vierten Seillänge mussten wir einen Haken schlagen. Da wir nur einen Hammer mit hatten, ließ ihn Walter für mich hängen. Das Seil rieb den dünnen Strick durch, und als ich beim Haken stand, war der Hammer unten.
Das musste mir passieren! Ich hätte verzweifeln können. „Den finden wir nicht wieder“, meinte Walter, und den guten Haken müssen wir auch drin lassen. Vom nächsten Standplatz auf dem folgenden Band („Brâna suspendată“) ging es eine Verschneidung hoch. Hier bin ich jetzt vor einem Überhang und habe meine Not mit der ungewohnten Leiterkletterei. Dieses Stück fällt mir schwer, es ist anstrengend, ungewohnt (für mich) und doch unbeschreiblich schön. Endlich bin ich am nächsten Standplatz. Noch zwei Seillängen freie Risskletterei mit schlechten Standplätzen...
Als ich oben bin, ist mir anders, doch ein bisschen bin ich stolz, dass ich es geschafft habe. Walter bin ich dankbar, denn ich habe viel von ihm gelernt. Wir teilen uns eine kleine Tafel Schokolade, und runter geht es (eine Latschen-IV) im Eiltempo, denn wir sind in Zeitnot. Günter und Viorel warten am Zelt, dann stürzen wir gemeinsam in die Dunkelheit Richtung Buşteni. Es stehen noch einige Klettertage vor uns.
Es ist gut, so einen Menschen wie Walter zum Bergkameraden zu haben. Ich hab so viel gelernt von ihm. Wir schmieden Pläne für künftige Touren: Făgăraşwinterbegehung, weitere Klettertouren in den Bucegi... wer weiß, es gibt noch viel Schönes in Rumäniens Bergen.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 77, S. 184 – 185)

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185 Ohne Titel.
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