Holzbauten im Nordwesten Siebenbürgens
von Konrad Klein
Die Holzarchitektur Silvanias, des legendären Waldlands Siebenbürgens, ist wenig, allzu
wenig bekannt. Freilich reicht nicht alles, was hier so geboten wird – von den 69 Holzkirchen
ist nur ein Bruchteil repräsentabel –, an die Maramureşer Berühmtheiten. Dennoch lohnt sich
ein Besuch des Kreises Sălaj, auch schon deshalb, weil dieses Gebiet touristisch wenig
erschlossen ist und zum Ferienerlebnis werden kann. Auch durch seine fast unbekannten
Holzbauten.
Im September, aber auch im Oktober, zeigt sich die Gegend um Zalău von ihrer besten
Seite. Wer in dieser Jahreszeit diesen Landstrich besucht, wird Wiesen finden, auf denen
unzählige Herbstzeitlosen blühen; Eichen- und Buchenwälder, deren Laub die Farbe
wechselt; Morgennebel, der milchig-feucht über der Someş-Au liegt; Pflaumenbäume, in
denen noch einige Früchte in der Herbstsonne hängen. Altweibersommer also, Zeit der
Buntheit und der gärenden Schnapsbottiche. Was könnte aber den Höhepunkt einer
Wanderung in dieser Landschaft der Hügel und Farben bilden, wenn nicht die Holzbauten.
Der Maramureşer Vertikalismus und die Gedrungenheit der Holzkirchen von Bihor – beides
finden wir hier vereint. Die Ethnographen sprechen von Interferenzerscheinungen, aber
auch, und das zählt, von Ortsspezifität. Kennzeichnend für Sălaj ist der kurze Kirchturm mit
ebensolchem Dach. Nur selten trifft man den schwindelerregenden Turmhelm der
nordsiebenbürgischen Holzkirchen an. Was aber immer wieder bei der Vielgestalt dieser
Baudenkmäler auffällt, ist ihre erstaunliche Proportioniertheit. In den seltensten Fällen stehen
die konstruktiven Formen im Missverhältnis zueinander, alles ist durchkonstruiert und
weitgehend funktionell gestaltet. Deshalb ist eine etwas schlichtere Dekoration nur
Konsequenz. Erwähnenswert sind vor allem die mit Schnitzereien verzierten Türrahmen, z.B.
jene der Holzkirchen von Derşida, Fildu de Sus, Hida und Petrind. Neben Rosetten und
verschiedenen Kerbschnittmustern treffen wir auch mancherorts das in Relief geschnitzte,
stark vorgewölbte Seilmotiv („Flechtband“) an, das den Kirchenkörper etwa in halber Höhe
umschlingt (Cizer, Cehei u. a.).
Besonders reizvoll ist die Wandmalerei. Obwohl sich nur wenig von den Tempérabildern der
innen-, seltener auch der Außenwände erhalten hat, trifft man noch aufschlussreiche
Beispiele an. Etwa in den Holzkirchen von Cehei, Păuşa und Sânmihaiu Almaşului, deren
Innenräume fast vollständig mit den wunderbar naiven Schöpfungen zweier Bauernmaler –
Nichita und Pop Ion aus Unguraşi – geschmückt sind.
Die zweifellos monumentalste unter den Sălajer Holzkirchen ist jene von Fildu de Sus (17 km
von Huedin). Sie ist in einer ethnographisch reichhaltigen Zone gelegen und hält unter
ihresgleichen einen Höhenrekord: Nach den Holzkirchen von Surdeşti (56 m) und Plopiş (43
m) ist sie mit ihrem fast 33 m hohen Kirchturm die höchste im Land. Der geräumige
Turmumgang mit seinen Zwergarkaden und den dekorativ ausgezackten
Verschalungsbrettern, vier Ziertürmchen nebst einem Dachreiter verstärken den Eindruck
einer großartigen baukünstlerischen Leistung.
In Zimbor (25 km nordöstlich von Huedin) befindet sich eine der ältesten Holzkirchen des
Kreises (334 Jahre) und im Almaş-Tal, nordwestlich von Sânmihaiu Almaşului, sind gleich
mehrere Holzkirchen beieinander: in Hida, Racâş und Sânpetru Almaşului.
Wenn wir den Weg nach Zalău fortsetzen, erblicken wir bald die spitze Turmsilhouette der
Holzkirche von Poarta Sălajului, ein Bau, dessen architektonische Linienführung begeistert.
Lohnend ist auch ein Abstecher nach Păuşa. Auch die nähere Umgebung von Zalău bietet
Holzkirchen as Ausflugsziel. In Stâna ist eine davon, bemalt vom selben Pop Ion aus
Unguraşi. Vom selben Maler stammt auch die Dekoration der Holzkirche von Ciumărna.
Auch die Zone um Şimleul Silvaniei lädt förmlich zum Aufsuchen der dortigen Holzdenkmäler
ein. Erwähnung verdienen die Kirchen von Chiejd, Derşida und Cehei. Besonders gut
erhalten hat sich die Wandmalerei in der letztgenannten.
Den dritten Schwerpunkt Sălajer Holzbaukunst bildet das Someş-Tal flussabwärts von
Gâlgău. Hier gibt es die wohl dimensionierten Kirchtürme von Bârsăul Mare, Fodora und
Lozna, aber auch jene beiden von Letca, deren Turmhelm konisch geformt und kürzer ist.
Leicht übersehen werden könnte ein zonaler Außenseiter: Das am Fuße des Plopiş-
Gebirges gelegene Holzkirchlein von Tusa, dessen reizvolle Laubengänge offensichtlich von
der Bauweise des rumänischen Bauernhauses herstammen. Es befindet sich 16 km nördlich
von Ciucea, Octavian Gogas letzter Ruhestätte.
Nicht zuletzt soll hier auch auf die Freilichtabteilung des Museums für Ethnographie von Cluj-
Napoca hingewiesen werden, wo man sich von Mai bis Oktober an den schon erwähnten
Holzkirchen von Cizer und Petrind erbauen kann. Freilich fehlt dabei das heimatliche
Drumherum, der Zauber Silvanias.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 77, S. 50 – 53)
Seite | Bildunterschrift |
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50 | Die Holzkirche von Poarta Sălajului. Im Hintergrund der Mezeş-Höhenzug. |
51 | Detail einer mit Holzschnitzereien verzierten Kirchentüre. Ciumărna. Um 1771. |
53 | Ein Glanzstück rumänischer Baukunst: die Holzkirche von Fildu de Sus. 1726 |