Auf der Fernverkehrsstraße 1 A von Braşov nach Ploieşti
von S. Simon
Vor einigen Jahren kam diese Route höchstens für Geländefahrzeuge in Frage, seitdem
aber Asphalt, Beton und Mauerwerk den letzten Erdlücken und Wasserrinnen zu Leibe
rückten, kann DN (drumul national) 1 A auch von Personenkraftwagen befahren werden.
Wie aus jeder Autokarte ersichtlich, beginnt DN 1 A kurz bevor die Europastraße 15 in einer
eleganten Kurve über den Viadukt bei Dârste nach Predeal abbiegt. Ihr erster Abschnitt ist
nichts anderes als die Hauptstraße von Săcele, jener Ortschaft, die älteren Semestern
vielleicht noch unter der Bezeichnung „Sieben Dörfer“ in Erinnerung geblieben ist.
Die Entwicklung dieser Stadt, die wir in zahlreichen Kehren der Länge nach durchfahren,
wird heute vom „Electroprecizia“-Werk bestimmt, dessen ausgedehnte Hallen wir links,
gegen das Stadtende zu, übersehen können, teilweise aber auch vom Möbelbau und einer
modernen Landwirtschaft. Was einen jedoch beim Durchqueren der Ortschaft unmittelbar
beeindruckt, sind die zahlreichen, sehr geschmackvoll renovierten Altbauten. Das
Geheimnis? Săcele stellt den Braşover Bauunternehmen einen erheblichen Teil ihrer Maurer
und Zimmerleute.
Als Ausgangsbasis für Wanderungen auf Hohenstein und Renţea rückte diese Ortschaft in
den letzten Jahren aber auch als Touristenzentrum auf. In Săcele beginnen eine Reihe
vorzüglich markierter und instand gehaltener Wege zu den Hütten dieser beiden Bergzüge;
die Forststraße durch das Garcin-Tal wurde für Personenkraftwagen freigegeben; es gibt gut
versorgte Kaufläden und Erfrischungsstände.
Hinter Săcele, dort, wo der Garcin-Bach in den Tatrang einmündet, wird der Lokalverkehr
schwächer, und wir können auf das Gaspedal treten. Ausgedehnte Wiesen zur Rechten,
ausgedehnte Weiden links, wir machen den Fluss aus, der silbrig über dunkles Konglomerat
sprudelt. Die Bevölkerung Braşovs hat dieses Tal nicht umsonst seit vielen Jahrzehnten zu
einem ihrer Ausflugsorte erwählt.
Übrigens wird dies kristallklare, von keiner Industrie und menschlichen Ansiedlung getrübte
Wasser auch zu wichtigeren Dingen als zum Baden verwendet. Braşov deckt aus dem
Tatrang den größten Teil seines Wasserbedarfs, natürlich über entsprechende Filteranlagen,
deren geometrische Vollkommenheit wir zur Linken bewundern. In den nächsten Jahren soll
ein Staubecken hinzukommen. Der Damm ist beinahe fertig, an der Säuberung des
Seegrundes arbeiten Raupenschlepper. Nach Fertigstellung sollen am Seeufer Freiluftbäder,
Wassersportzentren, Gaststätten und Campingplätze angesiedelt werden.
Bäume drängen sich in unseren Gesichtskreis, wir umfahren sie in einer leichten Krümmung,
Häuser, ein Wegweiser, Hupverbot, wir befinden uns in Şanţuri. Hier, unter ausgedehnten
Buchen- und Fichtenwäldern, liegt das bekannte Kindersanatorium. Landschaftliche
Schönheit und gutes Wasser ließen diese Gegend aber auch zu einem beliebten
Ferienaufenthalt für Pioniere werden, und seit zwei Jahren gibt es sogar im Garten des
unmittelbar an der Straße gelegenen Genossenschaftsladens einen Campingplatz mit netten
Holzhäuschen.
Der anfangs bläulich-unscheinbar schimmernde Krähenstein wächst von Kilometer zu
Kilometer. Bei Podul Teslei unterscheiden wir bereits die ihn zusammensetzenden Massive
Tesla, Bratocea, Ciucaş und Zăgan. Die höchste Erhebung, der Ciucaş-Gipfel (1959 m), ist
leider nicht auszumachen. Das Tal hat sich erheblich verengt, der Wald drängt bis an die
Straße, wild rauscht zu unserer Rechten der Bach, unerwartet taucht die Babarunca-Hütte
auf. Wir haben gar nicht bemerkt, dass der Tatrang längst ins Gebirge abgebogen ist und
das Rauschen und Tosen einem seiner Zuflüsse, dem Orlatu, überlassen hat.
Wir halten an, konsultieren Wegweiser und Orientierungstafel, vor uns eine weite, von
Hochwald umstandene Wiese, wie geschaffen zur Frühstückspause. Unschwer bringen wir
in Erfahrung, dass diese Stelle wichtiger Ausgangspunkt für Wanderungen auf die Ciucaş-
Spitze und zur Ciucaş-Hütte (1550 m) ist, die man je nach der gewählten Route in 3 ½ bis 5
Stunden erreichen kann.
Von Babarunca (892 m) bis zum Bratocea-Pass (1267 m) steigt die Straße in steilen Kehren
an. Wald, Wald und wiederum Wald, richtige Buchenmauern, dann Fichten und Tannen, die
zwanzig und oft mehr Meter in die Höhe streben. Erst auf der Passhöhe wird der Blick
wiederum frei, auf einer Hochwiese können wir parken und den Motor auskühlen lassen. Ein
Wegweiser macht aufmerksam, dass auch von hier ein Pfad auf den Ciucaş führt (Bratocea-
Kamm) und wir dabei der berühmten Bratocea-Sphinx begegnen. Noch immer von dichtem
Wald flankiert, beginnen wir in scharfen Kehren nach Podul-Berii abzurollen. Der fast
Dreihundert-Meter-Höhenunterschied erfordert noch mehr Konzentration am Steuer als die
Auffahrt. Dafür wird das Auge aber auch durch den einzigartigen Anblick des Buchentunnels
belohnt, eines jener zahlreichen Naturphänomene, die Rumänien zu einem so begehrten
Reiseland erhoben. Die rechts und links des Wegs aufragenden Buchen nämlich haben ihr
Astwerk zu einem riesigen Laubengang vereinigt, der stellenweise kontinuierlich mehrere
hundert Meter Länge erreicht.
Bald schiebt sich das Balabanul-Gebirge in unseren Gesichtskreis, ein Wegweiser zeigt,
dass wir uns nur wenige Kilometer weit von der Muntele-Roşu-Hütte befinden. Ein Abstecher
lohnt sich – für die Zeit, die dafür notwendig ist, entschädigt der herrliche Ausblick auf
Culmea Gropşoarelor und Zăgan. Muntele Roşu (1260 m, Gaststätte, 200 Schlafplätze) dient
besonders Bukarestern und Ploieştiern als Ausgangsbasis für Wanderungen auf den
Krähenstein.
Wiederum heißt es, vorsichtig abfahren, denn diesmal sind fast vierhundert Meter
Höhenunterschied zu bewältigen, bevor man seinen Wagen in dem Luftkur- und
Erholungsort Cheia (871 m) zwecks Mittagsrast parken kann. Bevor man sich aber im
Gartenrestaurant zu Speise und Trank niederlässt, kann man das Kloster Cheia besuchen
oder einen Ausflug bis zur Forellenzucht „Poiana Stânii“ im Telejenel-Tal (blaues Band,
Wegdauer hin und zurück zwei Stunden) unternehmen.
Jetzt vom Teleajen begleitet, führt die Straße durch schmucke Gebirgsdörfer, von denen wir
Măneciu-Ungureni, Izvoarele und Teişani vermerken, bevor ein Straßenschild das
Gebirgsstädtchen Vălenii de Munte ankündigt. Der Ort, Sitz der bekannten
Sommerakademie Nicolae Iorgas, hat in den Jahren unserer Volksmacht aber auch
wirtschaftliche Bedeutung erlangt durch seinen Gießereisand und vor allem durch seine
berühmten Obstkonserven.
In Gura Vitioarei bietet sich uns eine weitere Möglichkeit zu einem Abstecher: nach Slănic-
Prahova, einem noch bekannteren Kurort als Cheia, der sich obendrein mit einem
Naturwunder einzigartiger Schönheit rühmen darf: dem Salzberg. Ein mächtiger
unterirdischer Salzstock hat seine Ausläufer bis über die Erde gereckt, und, da Salz nun
einmal nicht zu den erosionswiderständigsten Stoffen gehört, gelang es Wasser, Wind und
Regen, aus ihm die bizarrsten Gebilde herauszuformen.
Die Landschaft verliert ihren Hügelcharakter. Boldeşti-Scăeni, mächtige Industrieanlagen, wir
stoßen auf die Ringstraße von Ploieşti und nähern uns dem Stadtzentrum. Zwar wundern wir
uns, dass wir für knappe zweihundert Kilometer (Gesamtlänge der DN 1 A 110 Kilometer +
Abstecher nach Muntele Roşu und Slănic Prahova), also etwa die Strecke Braşov – Bukarest
via Predeal, über acht Stunden benötigt haben, aber schließlich und endlich besitzt man
seinen Pkw ja nicht nur, um sich rasch fortzubewegen, sondern auch um etwas zu erleben.
Und nicht allzu viele Straßen dieser Länge bieten bei vollkommener Schonung des Wagens
soviel Sehenswürdiges.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm mit 76, S. 56 - 59)
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58 | Der Salzberg bei Slănic-Prahova. |