Ein Denkmal der Brâncoveanu-Kunst
von Georg Hromadka
Ähnlich wie die Klöster der Nordmoldau stehen auch die nord-oltenischen Klöster Tismana,
Polovragi, Hurez, Bistriţa, Arnota, Govora und Cozia in einem landschaftlichen Rahmen von
außerordentlichem Reiz. Hier wie dort verbinden sich Kunst und Natur, Menschenwerk und
natürliche Schöpfung zur eindrucksvollen Synthese. Indessen: Hier, am Südhang der
Südkarpaten, ist der Anteil des natürlichen Elements entschieden spannungsvoller.
Empfinden wir beim Kloster Cozia nicht schon die Dramatik des Altdurchbruchs, und tut sich
in der Namensidentität Kloster – Berg nicht auch das Verwachsensein mit der Bergnatur
kund? Erhalten die Klöster Arnota, Bistriţa und Hurez ihre landschaftliche Dimension nicht
von den weithin leuchtenden Kalkfelsen der Buila-Vânturariţa? Steht das Kloster Polovragi
nicht im kühlen Luftzug der Olteţ-Klamm? Und zeichnen sich nicht auch die nun schon
weitberühmten Werke des Bildhauers Constantin Brâncuşi in Târgu-Jiu, die „Endlose Säule“,
das „Tor der Liebenden“, die „Runde des Schweigens“, vom Hintergrund des Paring-Gebirges ab (aus dem, von hier gut zu sehen, die stolze Mândra, 2518 m hoch, herausragt)?
Die Autostraße Râmnicu-Vâlcea – Târgu-Jiu, die uns dieses wechselvolle Panorama
vermittelt, bringt uns zugleich eines der gewichtigsten Denkmäler des Brâncoveanu-Stils
heran: Hurez. Das Kloster liegt 40 km westlich von Râmnicu-Vâlcea.
Eine der glänzendsten Epochen der rumänischen Kunst ist mit dem Namen des bau- und
restaurationsfreudigen Fürsten Constantin Brâncoveanu (Regierungszeit: 1688 – 1714)
verbunden. Wertvollste Baudenkmäler der Brâncoveanu-Kunst sind der Mogoşoaia-Palast
bei Bukarest, das Kloster Văcăreşti in Bukarest und das Kloster Hurez. Charles Diehl, der
französische Historiker und Erforscher der byzantinischen Kultur, sagt von Hurez, es sei „das
vielleicht schönste Denkmal rumänischer Kunst“. In den Wandmalereien von Hurez verbindet
sich byzantinische Tradition mit einem neuen Realismus. Im Baustil ist (siehe Mogoşoaia)
der Einfluss der italienischen Renaissance und des Barocks unverkennbar. In der Architektur
wie in der Bildhauerei und Malerei stellt Hurez einen Gipfel rumänischer Kunsterfahrung und
Kunstentfaltung dar.
Mit seinen Kirchen, Kapellen, Wohnbauten und Einsiedeleien ist Hurez die umfassendste
Klosteranlage unseres Landes. Aus dem architektonischen Ensemble heben sich innerhalb
der Klostermauern die große Kirche („biserica mare“), das Fürstenhaus und der Kiosk
(„foişor“) des Dionisie heraus. Der Grundstein zum Klosterbau wurde 1690, im dritten Jahr
der Herrschaft Brâncoveanus, gelegt. Drei Jahre später war die große Kirche vollendet. Die
Malerarbeiten wurden 1695 abgeschlossen.
Bauliches Vorbild der „biserica mare“ war die Bischofskirche von Curtea de Argeş. Klarheit
und Ausgewogenheit der Formen zeichnen das Bauwerk von Hurez aus. Einfallsreich, maß-
und geschmackvoll sind die Arbeiten der Steinmetzen an den Säulen und Arkaden, der
Holzschnitzer an den Türen und im Kircheninneren (ausnehmend schön die vergoldeten
Holzschnitzereien des aus Lindenholz gefertigten Ikonostas (ikonengeschmückte Trennwand
in orthodoxen Kirchen)).
Wer waren die Meister? Wir kennen sie, und zwar nicht nur dem Namen nach. Wir finden sie
im „pridvor“ (einem offenen Flurgang) der großen Kirche abgebildet: Manea, den
Maurermeister, Vucaşin Caragea, den Steinmetzen, Istrate, den Holzschnitzer.
In demselben „pridvor“ ist auf weiter Fläche eine Fassung des Jüngsten Gerichts dargestellt,
deren derber Realismus auffällt. Kraft- und hoheitsvoll wirken die Männergestalten der
Votivbilder im Pronaos (der Fürst und seine Familie; die Vorgänger und Vorfahren des
Fürsten). Aus der Reihe der weiblichen Figuren spricht uns ein rundlich-rosiges
Kindergesicht an: Prinzessin („domniţa“) Smaranda. Bei diesen Bildern ist der Kontrast
zwischen den natürlich gezeichneten, individualisierten Gesichtern und den schematisch-lang gestreckten Körpern augenfällig.
Kein Zufall, dass in Hurez der Lebensbeschreibung des heiligen Konstantin breiter Raum
gewidmet ist. Genauso wie in den Klosterkirchen der nördlichen Moldau, wo das Thema der
Belagerung Konstantinopels oder das Jüngste Gericht dazu benutzt wird, das Volk auf die
drohende Türkengefahr aufmerksam zu machen, zielt auch hier die Schilderung des
Kampfes mit dem „Heiden“ Maxentius auf die seelische Aufrüstung der Menschen ab.
Ein Grieche, der schon 1683 in Bukarest gearbeitet und sich ganz den Landesverhältnissen
angepasst hatte, leitete in Hurez die Malerarbeiten. Er hieß Konstantinos. Seine Gehilfen
waren größtenteils Rumänen. Konstantinos gründete eine Malerschule mit weitem
Aktionsradius: die Schule von Hurez. Das Wirken Konstantinos’ und seiner Schüler und
Nachahmer lässt sich in der Nähe von Hurez, in Cozia, Govora und Polovragi,
weiterverfolgen.
Aus der Brâncoveanu-Zeit stammen auch die Wandgemälde der Klosterkapelle („paraclis“),
der Kirche des Siechenhauses („bolniţa“) und der außerhalb der Mauern befindlichen
Einsiedlerkirche „Sfânţii Apostoli“.
In späterer Zeit (1752 – 1753) entstand der „foişor“ des Dionisie. Leicht erkennt man hier den
Einfluss des Barocks.
Wertvolles Altargerät, kostbare Leuchter verfertigen für Hurez siebenbürgisch-sächsische
und rumänische Goldschmiede. Zu den Hermannstädter und Kronstädter
Goldschmiedewerkstätten hatte Constantin Brâncoveanu rege Beziehungen. Bei Sebastian
Hann, dem angesehenen Hermannstädter Meister der Goldschmiedekunst, bestellte er die in
Gold getriebenen Buchdeckel eines Tetraevangeliars (Evangelienbuch mit dem Text aller
vier Evangelien), das er 1709 der großen Kirche von Hurez schenkte. Das Deckenrelief stellt
das Heiligenpaar Konstantin und Helena dar. Das Werk ist mit anderen Arbeiten der
Siebenbürger Gold- und Silberschmiede im Mogoşaia-Palais ausgestellt.
Constantin Brâncoveanu ließ in der großen Kirche von Hurez sein Grab vorbereiten. Das
Grab blieb leer. Die Türken, die befürchteten, Brâncoveanu könnte sich mit Russland gegen
sie verbünden, schleppten den Fürsten und seine vier Söhne in die Gefangenschaft. Im
Frühjahr 1714 wurde Constantin Brâncoveanu in Konstantinopel hingerichtet. Seine Söhne
starben mit ihm. Die Gebeine des Fürsten wurden 1720 in der Bukarester Georgskirche
heimlich beigesetzt.
Es ist unmöglich, vor dem leeren Grab in Hurez nicht an das tragische Schicksal
Brâncoveanus, dieses großen Förderers der Künste, zu denken.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 76, S. 100 – 105)
Seite | Bildunterschrift |
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100 | Kartenskizze |
102 | Die Kirche des Siechenhauses („bolniţă“) |
103 | Säulen am „pridvor“ der großen Kirche |
104 | Ausschnitt aus dem Jüngsten Gericht |
105 | Domniţa Smaranda, Brâncoveanus jüngste Tochter (Ausschnitt aus dem Votivbild der großen Kirche) |