von L. G.
Sagt man Karst, so denkt man zumeist an die Westkarpaten, den Banater Karst, das
nördliche Oltenien oder an das Gebiet rund um den Königstein. Aber auch das Bucegi-
Gebirge, das vorwiegend aus Konglomerat besteht, hat seine Kalksteinzonen. Das Ialomiţa-
Tal z.B. weist sich durch seine Klammen und Höhlen als aus Kalkstein bestehend aus. Nun,
und ebenda findet sich – warum auch nicht? – eine Karstquelle.
Sie ist bekannt (Beweis: Sie hat einen Namen: Şapte Izvoare – Sieben Quellen) und doch
nicht. In keiner Karte ist sie vermerkt, kein Schild weist auf sie hin. Die wenigsten Touristen
haben von ihr gehört, da sie abseits aller markierten Wege liegt (wenn auch nur ein paar
hundert Meter). Wer sie dennoch gesehen hat, bei dem geschah es durch Zufall oder weil er
durch andere Touristen davon erfuhr.
Wie man hinkommt? Ganz einfach. Hat man mal die Zănoaga-Klamm hinter sich und den
Scropoasa-See vor sich, lässt man die Markierung (blaues Kreuz) geradeaus am rechten
Seeufer weiterlaufen und wendet sich nach links. Eine Holzbrücke bringt uns trockenen
Fußes über die Ialomiţa. Weiter geht’s etwa 10 Minuten lang den Karrenweg bergauf, der die
Verbindung zwischen Scropoasa-See und Dichiu-Sattel herstellt. (Von diesem Weg zweigt
nach rund 5 Minuten ein Fußpfad – Markierung: blaues Kreuz – nach rechts ab und führt in
etwa einer Stunde zum Orzea-Gipfel.) Neben uns führt ein munteres Bächlein sein
kristallklares Wasser eilig dem See zu. Allmählich aber übertönt ein immer lauter werdendes
Rauschen und Tosen sein Plätschern. Ein paar Schritte noch, und wir sehen zu unserer
Linken einen ziemlich reichhaltigen, breit gefächerten Wasserfall über moosbedeckte Steine
herunterrauschen.
Nun verlassen wir den Weg, balancieren auf Steinen und Baumstämmen übers Wasser und
steigen neben der Kaskade bergauf. (Wer es bequemer haben will, geht ein Stück zurück,
bis zur Brücke, von wo ein Fußpfad zum Wasserfall führt.) Bald steht man vor einer
senkrechten Wand, unter der aus einem Spalt eine ansehnliche Wassermenge unter Druck
herausquillt. Von etwas weiter oben kommt ein zweiter Wasserarm. Klettert man bis hin,
sieht man ein respektables Bächlein aus einer über einen Meter hohen Grotte fließen und
sich munter in die Tiefe stürzen.
Da der Pfad weiterführt, folgen wir ihm. Und gelangen an einen Stollen, fast zwei Meter hoch
und trocken. Der scheint von Menschenhand angelegt zu sein. Er führt tief in den Berg hinein
(man braucht unbedingt eine Taschenlampe), bis zum unterirdischen Wasserlauf, den man
schon von weitem hört und der unserem Forscherdrang ein plötzliches Ende setzt. Weiter
geht’s nicht, das Wasser quert unseren Weg in einem Bett, das etwa zwei Meter tiefer liegt.
Der Stollen setzt sich zwar drüben fort (wie weit und wohin, kann man vom Endpunkt
unseres unterirdischen Weges nicht feststellen), aber übers Wasser führt kein Steg und
durchs Wasser geht’s auch nicht, es ist viel zu tief und zu reißend.
Interessant ist jedoch auch die Tatsache, dass sich dies viele Wasser in einem relativ kleinen
Massiv sammelt – im Dichiu –, so dass man sich unwillkürlich fragt: Woher eigentlich diese
ungeheuren Reserven? Denn diese Karstquelle ist nicht das einzige Ablassventil, auch auf
der anderen Seite des Berges, in der Klamm, sickert, rinnt und sprudelt es aus demselben
Massiv.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 76, S. 94 – 95)
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95 | Der Wasserfall, in den sich die Karstquelle gleich nach ihrem Austritt aus der Felswand verwandelt. |