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See bei See – wer kennt ihre Namen?

Eine Bestandsaufnahme der Meeraugen des Retezat

von Georg Hromadka

In den dreißiger Jahren und selbst Anfang der vierziger Jahre war der Retezat noch ein recht einsames Gebirge. Im ganzen Massiv gab es nur zwei bewirtschaftete Häuser: auf der Nordseite die Pietrile-, auf der Ostseite die Baleia-Hütte. Notunterkünfte fand man in Gura Zlata, in Câmpuşel und im Buta-Tal. Eine Hütte aus Wellblech stand noch in den dreißiger Jahren am Zănoaga-See.
Zu jener Zeit war im Retezat kein einziger Weg bezeichnet. Über der Peleaga kreisten noch die Steinadler, und in den Kalkfelsen der Stănuleţi nisteten die Mönchsgeier. Gämsen sah man überall. Herdenweise grasten sie in den saftig-grünen Karen der Bârlea: beim Gemenile-See (in dessen Nähe heute das Forschungslabor der Akademie steht), beim Tăul Negru, bei den Radeş-Seen.

Ein See ging verloren...

Westlich vom Tăul Negru entdeckten Reschitzaer Bergsteiger 1937 einen von Latschen (Legföhren) umgebenen, sonst aber luftig gelegenen, kristallklaren, kleinen See. Niemand konnte ihnen sagen, wie der „tăuleţ“ heißt. Wie viele andere Bergseen im Retezat hatte er keinen Namen.
Noch im Jahre 1947 glitzerte das Meeräuglein über dem „Schwarzen See“. Zehn Jahre später war es verschwunden. Kenner das Massivs (wie Ionescu-Dunăreanu, Verfasser eines ausgezeichneten Retezat-Buchs) nannten den See (post mortem sozusagen) „Tăul Secat“ (secat = ausgetrocknet).
Zum Unterschied von vielen anderen kleinen Seen im Retezat, die in trockenen Sommern oder nach schneearmen Wintern vorübergehend versiegen, ist der Tăul-Negru-Satellit nicht wieder aufgetaucht. Wer weiß, ob der schöne Unbekannte noch sein Comeback erlebt?

Die größten, höchsten, tiefsten

Dass im Retezat-Gebirge die blaugrünen Seen das Ereignis sind, weiß man bereits. Man weiß auch, dass der Retezat die meisten, größten, höchstgelegenen und tiefsten Karseen birgt. In der Frage der Gesamtzahl gehen die Meinungen der Autoren auseinander. I. Ionescu-Dunăreanu („In munţii Retezatului“, 1957) sagt, im Retezat gebe es 82 Seen („de origine glaciară, permanenete“). Petre Gâştescu („Lacurile din R.P.R.“, 1963) spricht von „über 80“ Seen. I. Pişotă („Lacurile glaciare din Carpaţii meridionali“, 1971) behauptet, im Retezat kommen nicht mehr als 58 „permanente“ Seen vor. Nae Popescu, der Autor eines 1973 erschienenen auskunftsreichen und praktischen Touristenführers („Munţii Retezat“), stellt fest: Es gibt im Retezat rund 100 Seen. 40 davon sind Seen erster und mittlerer Größe. 18 haben bescheidenere Ausmaße. Alle 58 (siehe Pişotă) sind ständig mit Wasser versehen. Von den restlichen 40 „Miniseen“ trocknet ein Teil in Dürrejahren aus.
Die Meeraugen des Retezat sind häufig gruppiert: See liegt bei See. Die bekanntesten Seenfamilien sind im Bucura-Superkar („Bucura-System“ mit 17 Seen), in der Valea Rea und im Custura-Ciumfu-Gebiet angesiedelt.
Noch vor drei, vier Jahrzehnten war im Retezat die Zahl der namenlosen Seen beträchtlich. Nur die wichtigsten „tăuri“ trugen sichere Namen. Auch hier hatten zuerst die Hirten Pate gestanden. Sie hatten die Seen nach den gleichfalls von ihnen getauften Berggipfeln benannt (z.B. „Tăurile Custurii“), nach auffälligen Merkmalen der „tăuri“ selbst oder ihrer Umgebung (z.B. „Tăul Agăţat“ = der „Hängende“, „Lacul Şteviei“ - der „Ampfersee“). Lang danach kamen die Touristen und gaben ihren Senf dazu. Dabei war man nicht immer gut inspiriert. Mihai Haret, einem im Übrigen verdienstvollen Pionier des rumänischen Tourismus, fiel z.B. nichts Besseres ein, als die „Lacuri înşirate“ im Bucura-Becken nach seinen Töchtern zu benennen: Lia, Ana, Viorica, Florica. Auch Ionescu-Dunăreanu bereicherte die Retezat-Nomenklatur. Er tat es, ohne aus dem Rahmen zu fallen. Von ihm stammen Namen wie „Tăul Ascuns“ (der „Verborgene“), „Tăul Răsucit“ (der „Gewundene“), „Tăul Secat“.

Das „Bucura-System“

Im Herzen des Massivs, an der Nord-Süd-Magistrale, breitet sich inmitten eines gewaltigen Gletscherkessels („circ glaciar“) der größte Bergsee Rumäniens aus, der Bucura-See (Lacul oder Iezerul Bucura). Er liegt 2041 Meter hoch, ist 504 Meter lang, 290 Meter breit, 16 Meter tief und bedeckt eine Fläche von 8,86 Hektar. Der Rundblick ist hier einmalig. Den See selbst überschaut man am besten von den zum Rasten einladenden Felskanzeln über dem Nordufer.
Auf einem Plateau westlich vom Bucura-See liegt der viel kleinere Bucurel, ein echter Trabant: 2070 m hoch, 80 m lang, 45 m breit, 2 m tief, Fläche 0,4 ha.
Viel höher (auf der höchsten Seenterrasse des Bucura-Kessels) liegt der Lacul Porţii, dessen Name auf die nahe Poarta Bucurei, das Bucura-Tor, hindeutet. Man erreicht ihn vom Bucura- See aus (auf der Trasse roter Punkt und gelbes Band). Seine Personalien: Höhe 2240, Durchmesser 84, Tiefe 5, Fläche 0,5.
Unweit vom Lacul Porţii, in nächster Nähe der Poarta Bucurei, „hängt“ der kleinformatige Tăul Agăţat (Höhe 2208, Durchmesser 50, Tiefe 2, Fläche 0,11).
Vom Tăul Agăţat kann man (sofern man nicht lieber über den Judele-Rücken in den Zănoaga-Bezirk hinüberschwenkt) von Stufe zu Stufe absteigend die Lacuri înşirate aufsuchen. (Die Seen heißen so, weil sie auf demselben Wasserfaden „aufgefädelt“ sind.) Erlebnisreicher ist aber der Aufstieg vom unteren Ende der Seenkette, wenn man von Süden kommend beim Lia-See (Lacul Lia: Höhe 1910, Länge 144, Breite 130, Tiefe 4, Fläche 1,3) den mit rotem Kreuz markierten Weg verlässt und ohne Wegzeichen den „Wasserfaden“ entlang erst in Richtung NW, dann W hinansteigt. Auf den dreieckförmigen, von Latschen umklammerten Lia-See folgt der stattliche Ana-See (Lacul Ana: 1979, 324, 200, 12, 3,1).
Eine Treppe höher liegen der mit dem Ana-See durch einen Wasserfall verbundene Viorica-See (Lacul Viorica: 2070, 190, 84, 6, 0,9) und der Florica-See (Lacul Florica: 2080, 200, 70, 6, 0,8). Ein halbes Dutzend kleinerer Seen liegt in der Nähe der beiden „Schwestern“. Über einen grasbewachsenen Steilhang gelangt man vom Florica-See zum Tăul Agăţat.
Polyphon verwoben ist bei dieser Wanderung die freundliche Seen- und Kaskadenszenerie mit den erregenden Bildern des hohen Judele-Slăvei-Kamms und des immer näher rückenden Bucura-Tors.
Zum zweitgrößten Meerauge des Retezat, zum Zănoaga-See (Lacul oder Iezerul Zănoaga), kommt man vom Tăul Agăţat aus auf dem Weg, der von der Pietrile-Hütte nach Gura Zlata und Gura Apei führt (roter Punkt), über den steilen Judele-Rücken und den Bârlea-Sattel (Şaua Bârlea). Der fast kreisrunde See liegt 1997 m hoch in einem riesigen Kessel (zănoagă = Kessel, auch Flussvertiefung). Er hat einen Durchmesser von 370 m und ist 29 m tief. Seine Fläche beträgt 6,5 ha. Jüngsten Daten zufolge ist er (und nicht der Tăul Negru) Rumäniens tiefster Bergsee.
Der schöne, von Latschen verdunkelte Zănoguţa-See (Tăul Zănoguţa: 1830, 110, 95, 5, 0,12) liegt südwestlich vom Zănoaga-See. Hundert Meter oberhalb kommt der Tăul Spurcat (der „Unreine“: 1930) vor.
Vom Judele-Rücken erblickt man, bevor man des großen Iezerul Zănoaga ansichtig wird, im Süden (im Judele-Kessel) eine Seengruppe, die vom Judele-See (Tăul Judele: 2120, 124, 104, 5 0,8) beherrscht wird. Hinter der hohen Muchia Ascuţită verbirgt sich der Kleine Judele-Kessel. Hier befinden sich außer dem Tăul Urât (dem „Hässlichen“: 2110, 110, 90, 1, 0,4) zwei von Ionescu-Dunăreanu namhaft gemachte Seen: der Tăul Ascuns (der „Verborgene“: 2180, 104, 60, 2, 0,4) und der malerische Tăul Răsucit (der „Gewundene“: 2106, 145, 96, 4, 0,8). Mehr als ein halbes Dutzend kleinerer Meeraugen können zwischen dem Judele- und dem Zănoaga-See gezählt werden. Gut überblicken lässt sich die Seengruppe vom scharfen Judele-Slăvei-Grat (einem der höchsten Kämme im Retezat: durchschnittlich 2300 m hoch).

Der Slăvei-See

In den Gletscherbecken südöstlich vom Slăvei-Rücken (über den die beliebte, mit gelbem Punkt bezeichnete Route Gura Apei – Lunca Berhina – Crucea Trăznitului – Bucura-See führt) kommen drei Meeraugen vor. So wenig ansehnlich der Turcel-See (Tăul Turcel: 2090, 70, 40, 1, 0,2) und sein etwas höher gelegener unbenannter Trabant sind, so eindrucksvoll ist der weiter nordöstlich in einem hufeisenförmigen Kessel gelegene große Slăvei-See (Lacul Slăvei: 1950, Durchmesser 250, 7, 3,3).
Leider schenken die vielen Leute, die über den Cracul Slăvei eilen, diesem halbversteckten Außenseiter (der uns ein anschauliches Beispiel für die Kar- und Karseebildung liefert) wenig Beachtung. Wenige entschließen sich, vom sicheren Weg abzuweichen und in den stillen, düster angehauchten Kessel zu steigen. Dabei ist der Abstieg kurz und problemlos. Komplizierter, aber ereignisreicher ist der Angriff von Osten her: auf einem unbezeichneten Weg von Gura Bucurei ausgehend.
Wer im Bucura-Becken, im Bucura-Tal oder auf der Peleaga-Wiese (Poiana Pelegii) zeltet, sollte einen Abstecher zum Slăvei-See einplanen.

Stiefkind Buta-See

Denken die Retezatbesucher, die zur Buta-Hütte steigen, um von hier aus (rotes Kreuz) in den zentralen Bucura-Bezirk „einzufallen“, daran, dem Buta-See (Lacul Buta: 1850) einen Besuch abzustatten? Kaum. Man verzichtet auf die Ouvertüre und wünscht, sich so schnell wie möglich ins dramatische Geschehen zu stürzen.
Auch bei den zwei kleinen Păpuşa-Seen (Tăurile Păpuşii) auf dem 1879 m hohen Plaiul-Mic-Sattel hält man sich höchstens auf, um etwas vom herrlichen Gipfelpanorama festzuhalten, das sich hier plötzlich aufgetan hat. Nur Geologen zerbrechen sich darüber den Kopf, ob die beiden Seen glazialen oder nivalen Ursprungs sind (ob Eis oder Schnee sie geformt hat). Die Seen haben ihren Namen der 2229 m hohen Păpuşa Custurii, einem Sporngipfel der Custura, entlehnt.

Peleaga und Peleguţa

In einem der malerischsten Winkel des Massivs, in der Nähe der beiden Hauptgipfel Peleaga (2509) und Păpuşa (2500), liegen zwei Seen, die es verdienen, dass man sie aus nächster Nähe sieht: der Peleaga-See (Tăul Pelegii, fälschlich auch Lacul Ghimpelui genannt: 2122, Durchmesser 216, 5, 1,7) und der Peleguţa-See (Tăul Peleguţa: 2097, 160, 64, 5, 0,9).
Zum Peleaga-See gelangt man vom Peleaga-Sattel aus (Şaua Pelegii, zwischen den Gipfeln Peleaga und Păpuşa). Es lohnt sich, an den Wasserfällen (Cascadele Pelegii) vorbei ins Peleaga-Tal (Valea Pelegii) zu steigen und dann gemütlich zur Poiana Pelegii zu wandern. Die Pfade sind nicht markiert.
Auf keinen Fall sollte man den Peleguţa-See versäumen. Benannt hat man den See nach dem über ihm aufragenden 2390 m hohen Peleguţa-Gipfel. Als Meerauge zählt er zu den „Kronjuwelen“ des Retezat. Auch er ist ein Einsamer. Kein bezeichnender Weg führt zu ihm. Leicht ist er von der Peleaga-Spitze aus zu erreichen: in weniger als einer Stunde.
Vorzuziehen ist jedoch der Aufstieg von der Poiana Pelegii aus. Über eine Stunde geht man (ohne Markierung) am rechten Ufer des kataraktreichen Peleaga-Bachs durch eine geradezu ideale Almlandschaft bis in die Nähe der unscheinbaren, am linken Ufer gelegenen Peleaga-Hütte (Hirtenhütte Stâna Pelegii). Noch bevor man die Hütte erreicht, zweigt am rechten Ufer ein Pfad ab: er führt ansteigend zum Peleguţa-See. Findet man den Anschluss nicht, ist auch ein Direktanstieg in Richtung W (der Hütte gegenüber) denkbar – pfadlos natürlich. In beiden Fällen erreicht man den See nach einer weiteren Wegstunde.

Die Hochseen im Osten

Nicht genug empfehlen kann man dem Retezatbesucher das immense Quellgebiet des Râul Bărbat. Etwa ein Dutzend Kare und ebenso viele Seen kommen hier vor. Das Gebiet ist wenig begangen.
Am steilen Nordhang des Custura-Gipfels, im Custura-Kessel, ruhen der Große Custura-See (Tăul Mare al Custurii: 2270, 200, 80, 9 2,8; dass er Rumäniens höchstgelegener Bergsee ist, wird neuerdings bezweifelt) und der Kleine Custura-See (Tăul Mic al Custurii: 2250, 150, 64, 7 0,8). Zehn Meter tiefer als der Kleine Custura-See liegt der Tăuleţul Custurii, ein hübsches Meeräuglein. Der Custura-Bach, auch Ciumfu-Mare-Bach genannt, füllt weiter unten wieder einen größeren Bergsee, den Großen Ciumfu-See (Tăul Ciumfu Mare: 2040, 120, 76, 4), der auch das von Südwesten zufließende Wasser der kleinen Zănoagele Custurii aufnimmt.
In den benachbarten Kesseln gibt es noch einige Seen unbedeutenden Formats.
Nennenswert sind davon nur die Zwillingsseen Ciumfulete (Tăurile Ciumfulete oder Tăurile Ciumfu Mic: 2040). Sie liegen im Kar Ciumfu Mic.
Am besten steigt man in den Custura-Kessel von der Şaua Mării aus („Mariensattel“ zwischen den Gipfeln Custura und Vf. Mării) in Richtung Abfluss des Großen Sees (keine Wegzeichen). Für den Ausstieg kann man die steile, aber nicht unmögliche Nordwestflanke des Kessels wählen.
Einer der originellsten und faszinierendsten Karseen nicht nur des Retezat ist auf der anderen Seit der Tăul Ţapului („Gämsbocksee“: 2160, 264, 224, 6, 2,3). Der See hat eine grasbewachsene Insel. Er leuchtet vielfarbig: grün, blau, gelblichbraun. Man erreicht ihn gleich gut im Abstieg durch die Scharte „Hornul Ţapului“ (an der mit rotem Band markierten Trasse Păpuşa – Porţile Închise – Culmea Lănciţa) oder vom Sattel Şaua Lacului aus.
Auf derselben Nordseite des großen Quellgebiets liegt in einem der tiefsten Gletscherkare der Păpuşa-See (Tăul Păpuşii oder Tăul Adânc = „Tiefer See“: 2150, 150, 100, 3, 0,3). Man gelangt zu ihm, indem man den 2260 m hohen Sporngipfel des Vf. Ţapului (2378) in weitem Bogen umgeht (ohne Wegzeichen und vielfach auch ohne Wegspur). Der tiefe Kessel kann auch vom „Tibetanerweg“ (Serpentinenweg zwischen Stâna din Râu und Custura, blaues Dreieck) auf unbezeichnetem, stellenweise schwer zu verfolgendem Pfad erreicht werden. In beiden Fällen ist viel Geröll („grohotiş“) zu überwinden.
Schon außerhalb der Interessensphäre der Touristen liegen der Groapele-See (Lacul Groapele im Paroş-Tal am Fuß des mit dem Vf. Mare zusammenhängenden Groapele-Bergs: 1810 m hoch an der Waldgrenze) und der Văsielu-See (Tăul Văsielu im gleichnamigen Tal: 2200) mit seinen Trabanten.

Die Hirten nannten ihn Galeş

Als echter Antipode des Zănoaga-Sees liegt auch der Galeş-See (Tăul Galeş) weit weg vom Zentrum des Massivs, wo bekanntlich nicht nur der höchste Gipfel aufragt, sondern auch der größte See sich ausbreitet.
Schwermut und Traurigkeit sahen die Hirten auf dem Antlitz des großen fast runden Bergsees. Sie nannten den „tău“ Galeş. Woher die Melancholie? Über dem See erhebt sich im Süden die unnahbare Curmătura Galeşului (die wir seinerzeit auf „Porţile Închise“ umbenannt haben, weil hier die massiven „Tore“ zum Unterschied von der Poarta Bucurei keinen Durchlass gewähren). Im Gegensatz zu diesem rauen Hintergrund herrscht am Seeufer milde Stimmung vor (namentlich zur Zeit der Alpenrosenblüte). Ob sich die seltsame Galeş-Atmosphäre aus diesem Widerspruch erklären lässt?
Am Galeş-See führt die Nordost-Magistrale Pietrile – Baleia (rotes Dreieck) vorbei. Sie sorgt dafür, dass der 2040 m hoch liegende, 20 m tiefe und eine Fläche von 3,7 ha bedeckende „tău“ häufig besucht wird (Pietrile-Hütte – Galeş-See: zweieinhalb Stunden).
Vom Galeş absteigend kann man nach etwa 45 Minuten bezeichneten Wegs (rotes Dreieck) von einer Waldwiese links abweichend auf einem mit Steinmännchen markierten Pfad zum 1740 m hoch gelegenen Tăul dintre Brazi („Tannensee“, früher auch Tăul Negru = „Schwarzer See“) gelangen. Der kleine See ist von Latschen und hohen Fichten umgeben und macht einen düsteren Eindruck. Er ist kein Gletschersee.
Ein Hirtenpfad führt vom Südrand des Galeş zu den Zănoagele Galeşului, drei kleinen Seen in 2240 m Höhe. Die Aussicht, die man von hier und besser noch vom Zănoagele-Sattel (Şaua Zănoagelor, 2280) genießt, ist grandios.

Valea Rea, Pietrile, Stânişoara

Leicht steigt man vom Zănoagele-Sattel ins „Böse Tal“ (Valea Rea), einen mächtigen, mit Granithalden gut „ausgepolsterten“ Gletscherkessel am Păpuşa-Peleaga-Nordhang. Der Name und das viele Gestein sollen den Bergfreund nicht abhalten, die sieben Valea-Rea-Seen (Tăurile Văii Rele) aus der Nähe zu besehen und nicht zuletzt auch die zerrissene Peleaga-Nordwand mit ihren schwarzen Türmen (Turnurile Pelegii) von unten zu betrachten.
Wichtigster See ist da unten der 2200 m hoch gelegene Tăul Mare din Valea Rea (Großer Valea-Rea-See). An ihm vorbei führt eine Wegspur zum Peleaga-Sattel (Şaua Pelegii mit der Rotbandtrasse Peleaga - Păpuşa).
Auch die Überquerung des Valea-Rea-Kessels in Ost-West-Richtung am Lacul cu Pietriş („Schottersee“, 2170) vorbei ist möglich. Dabei peilt man ab „Schottersee“ den Pietrile-Sattel (Şaua Pietrile, 2192) an. Keine Angst vor dem „Steinmeer“ auf der Westseite des Kessels! Ohne Schwierigkeiten lassen sich vom Pietrile-Sattel aus auf einem Hirtenpfad die Pietrile-Seen im Pietrile-Tal „machen“. Sie liegen 2050 bis 2160 m hoch. Sie sind auch von der Magistrale Pietrile-Hütte – Bucura-See (blaues Band) gut zu erreichen. Dieselbe Magistrale führt am Pietrile-See vorbei (Tăul Pietrile: 1190 (Druckfehler?, laut Retezat-Karte: 1990 m), Durchmesser 90, 1, 0,5). Mächtig bauen sich die dunklen Granitwände des Bucura II über dem See auf. (Pietrile-Hütte – Pietrile-See: zweieinhalb Stunden.)
Im lieblichen, an Wasserfällen und Mäandern reichen Stânişoara-Tal trägt der Stânişoara-See (Tăul Stânişoara: 2000, 170, 80, 1, 1) viel zur freundlichen Stimmung bei. Schön nimmt sich auch der 40 m höher liegende kleine Tăuleţul Stânişoarei aus. Beide Seen liegen an der Trasse Pietrile-Hütte – Retezat (blaues Dreieck) und können von der Hütte aus in zweieinhalb bis drei Stunden erreicht werden.

Einsam und allein: der Ştevia-See

Wer vom Nordwestrand der Retezatplatte (retezat, d.h. geköpft ist der Sage nach dieser 2485 m hohe Berg) über den wilden Abgrund (den wildesten im ganzen Massiv) blickt, wird in der Tiefe einen kleinen, türkisblau aus einem Gewirr von Latschen und Granitblöcken herausleuchtenden See entdecken: den Ştevia-See (Tăul Şteviei: 2060, 136, 104, 3 0,8).
Den Alleinstehenden besucht kaum jemand. Dabei ist er keineswegs unzugänglich. Man erreicht ihn gut von der Pietrile-Hütte aus auf einem Hirtenweg: drei Stunden über den Lolaia-Rücken (wobei man das schönste Nordhangpanorama mitbekommt), den Lolaia-Gipfel (2278 m) und den Lolaia-Sattel (2213 m).

Die Seenwunder des Reservats

Auf der Westseite des Retezat-Gebirges, in dem von Warnschildern und –zeichen (orange Viereck) abgesteckten Forschungsreservat, liegen zwei der schönsten und größten Bergseen Rumäniens: der Tăul Negru („Schwarzer See“: 2014, 340, 280, 25, 4) und der Gemenile-See (Tăul Gemenile: 1934, 330, 208, 10, 2,5). Beide sind von dunklen Latschenfeldern (der Tăul Negru zudem von schwarzen Felsen) umrahmt, die ihnen ein wild-dämonisches Aussehen verleihen. Acht kleinere Seen befinden sich in ihrer Nähe: westlich vom Bucura-Tor und von hier aus gut sichtbar der Tăul Ştirbului (der „Zahnlückige“; der Name kommt von den „Zahnlücken“ des über dem grauen Kar aufragenden, finsteren Judele II; 2090, 170, 80, 9, 1); südwestlich vom Gemenile-See, in einem ziemlich hoch gelegenen Becken, die Zănoagele Gemenilor (oder Zănoagele Bârlei: zwei kleine Seen in 2160 bzw. 2180 m Höhe); nördlich vom Zănoaga-Gipfel der untiefe Tăul Cârligului (2030) und die zwei reizenden Radeş-Seen (Tăurile Radeşului: 1910); nördlich vom Radeş-Gipfel schließlich die beiden Zwergseen der Zănoaga Mică (Tăurile Zănoagei Mici: 1860 und 1948).
Das wasser- und vegetationsreiche, im Norden vom Vf. Retezat, im Osten vom Vf. Bucura, im Süden von den Gipfeln Judele, Bârlea, Şesele, Zănoaga und Radeş begrenzte Schutzgebiet darf ohne Genehmigung der Akademie nicht betreten werden. Vom Retezat-Gipfel kann man das ganze Reservat gut überschauen. Deutlich erkennt man die großen Seen. Den schönsten, den unvergleichlichen Tăul Negru, sieht man teilweise vom Şesele-Kamm aus ziemlicher Nähe. Ganz nah an die Sehenswürdigkeiten des Retezat-Reservats bringt den Wanderer nur der offizielle Ausweis.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 75, S. 65 – 80)

Seite Bildunterschrift
 
66 Kartenskizze: Hauptgipfel und wichtigste Seen im Retezat.
Hauptgipfel:
  1. Peleaga 2509,
  2. Păpuşa 2500,
  3. Retezat 2485,
  4. Custura 2457,
  5. Vârful Mare 2455,
  6. Bucura 2439,
  7. Judele 2410,
  8. Vârful din Mijloc (Sântămăria) 2405.
Seen:
B Bucura, LP Lacul Porţii, At Tăul Agăţat, F Florica, V Viorica, A Ana, L Lia, Z Zănoaga, Zg Zănoguţa, Sp Tăul Spurcat, J Judele, TA Tăul Ascuns, TU Tăul Urât, TR Tăul Răsucit, Tc Turcel, S Slăvei, Bu Buta, TP Tăurile Păpuşii, P Peleaga, Pg Peleguţa, Cu Tăurile Custurii, C1 Ciumfu Mare, C2 Ciumfulete, T Tăul Ţapului, Pp Tăul Păpuşii (Tăul Adânc), Vas Văsielu, G Galeş, TB Tăul dintre Brazi, ZG Zănoagele Galeşului, VR Tăurile Văii Rele, Pt Pietricele, Pi Pietrile, St Stânişoara, Şt Ştevia, TN Tăul Negru, Gm Gemenile, ZGm Zănoagele Gemenile, TŞt Tăul Ştirbului, Cg Tăul Cârligului, R Radeş, ZM Tăurile Zănoagei Mici, TS Tăul Secat, Akad=Haus der Akademie, Genţ = Notunterkunft Genţiana.
67 1947 war er noch da: der „verlorene See“.
68 Ein „Alpines Meer“ („mare alpină“) nennt mancher Autor den Bucura-See.
69 Abseits, aber nicht verborgen: der Lia-See.
71 Vom Ana-See aus gesehen: der 2405 Meter hohe Sântămăria-Gipfel (Vârful din Mijloc).
72 Wie Kare und Karseen entstanden sind, lehrt der Tăul Slăvei.
73 Ein Juwel unserer Karpaten: der Peleguţa-See (mit dem Peleaga-Gipfel).
74 – 75 Typische Karlandschaft im Retezat: die Kessel der Păpuşa und des Tăul Ţapului (links der 2500 Meter hohe Păpuşa-Gipfel, rechts der Vârful Mare).
77 Zwischen „rau“ und „mild“: der Galeş-See.
78 Die Valea-Rea-Seen (im Hintergrund der Retezat-Gipfel).
80 Tăul Ştirbului und Gemenile-See (im Latschenfeld rechts), zwei der etwa ein Dutzend Bergseen des Reservats.
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