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„Wer von den Pantalons nicht abgehen mag...“

Bergwandern einst / In alten Jahrbüchern geblättert

von H. M. Stamp

Jäger und Hirten waren wohl die ersten, die in die Berge stiegen und sie zu erschließen begannen. Sie taten es sicher nicht aus Freude an den Naturschönheiten, sondern aus der Notwendigkeit heraus, sich den Lebensunterhalt zu sichern. Es ist verständlich, dass dabei die Bergwelt nicht als erholsam und freundlich empfunden wurde. Kurze, raue Sommer, lange und harte Winter, häufige Wetterstürze führten zu einer nicht gerade günstigen Einschätzung.
Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde bei uns die Scheu vor den Bergen überwunden. Es fanden sich schließlich Leute, die nicht nur die Unwirtlichkeit der Berge sahen, sondern auch ihre Schönheit erkannten, sie aufsuchten und dabei Freude und Genugtuung über die eigenen Leistungen erlebten.
Den Anfang in der touristischen Erschließung der Karpaten machten allerdings nicht Bergsportler. Wissenschaftler waren es, die es sich zum Ziel setzten, diese noch unbekannten Zonen zu erforschen. Die Kunde über diese geheimnisvolle Welt drang bald in weitere Kreise. Immer größer wurde die Zahl derer, die von Begeisterung erfasst wurden, die Schönheit der Berge suchten und dort Erholung fanden.
Dass diese Pioniere nicht von allen verstanden wurden, dass bei vielen noch Scheu vor den angeblich so unwirtlichen Gebieten bestehen blieb, geht aus dem Ausspruch Dr. Carl Wolffs bei der Gründungsversammlung des Siebenbürgischen Karpatenvereins im Jahre 1880 hervor: „Der am Ofen hockende Philister lässt sich vielleicht noch zu der mitleidigen Äußerung herab, dass es in den Köpfen der Bergsteiger und Bergfexe, die für den Kultus ihres Bergwahnsinns sogar Vereine gründen, eigentlich nicht richtig sein könne, und tröstet sich höchstens damit, dass es auch solche Käuze geben müsse.“
Diese „Käuze“ ließen sich nicht von althergebrachten Ansichten einschüchtern. Die weitere Entwicklung des Tourismus und die heutige, ständig wachsende Zahl der Bergfreunde beweist wohl am besten, dass sie bei der Erschließung der Berge auf dem richtigen Weg waren.
Es blieb aber selbst bei diesen Begeisterten noch ein Rest der alten Scheu vor den Bergen. In Reiseberichten jener Zeit findet man häufig Ausdrücke wie „düstere Wälder“, „wildtosende Bäche“, „schroffumrissene Felsen“ usw. Die Gipfel zeigen „Bilder von majestätischer Größe, aber ohne die erquickende Fülle des organischen Lebens zu versprechen“.
Die damals noch herrschende Ansicht, dass man im Gebirge einer „ungastlichen“, sogar „feindlichen“ Umwelt gegenüberstehe, geht nicht nur aus den Landschaftsbeschreibungen hervor, sondern auch aus der Art und Weise, wie Bergwanderungen ausgerüstet und ausgeführt wurden. Im Jahre 1882 bezeichnet F. A. Bell einen dreitägigen Ausflug auf den Negoi als „Expedition“. Dass dabei zehn Touristen, elf Pferde und die nötigen Pferdeführer mitgingen, galt als Selbstverständlichkeit.
Ebenso selbstverständlich war es, dass bei jeder derartigen „Expedition“ fertig zubereitete Fleischspeisen mitgeführt wurden. Dabei durfte natürlich der Wein nicht fehlen, denn „...es trennt sich der Culturmensch so schwer von seinen lieben Gewohnheiten“.
Ebenso große Bedeutung wurde der Kleidung beigemessen. Mäntel, Plaids, Pelzröcke gehörten unbedingt zu einer Ausrüstung – selbst im Sommer. Auch anderen Kleidungsstücken wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Als eines der wichtigsten Ausrüstungsstücke galten – natürlich – die Schuhe. Im Jahre 1890 schrieb Myss: „Nur Schnürschuhe entsprechen allen Anforderungen.“ Sie mussten genagelt sein, denn „die Vorteile einer guten Benagelung für die Ruhe und Sicherheit des Trittes sind so fühlbar, dass niemand, der einmal genagelte Bergschuhe getragen hat, davon abgehen wird.“ Im gleichen Aufsatz wurde auch der Hosen gedacht: „Wer von den Pantalons nicht abgehen mag, wähle solche, die oben hinreichend weit sind, so dass sie zum Beispiel, wenn man beim Stiegensteigen je zwei Stufen auf einmal nimmt, nicht die geringste Spannung verursachen.“
Selbst die Hosenträger wurden besprochen und dabei erwähnt, sie würden „...mitunter auf Grund falscher Theorie beschuldigt, die Atmung zu behindern; das kann nur geschehen, wenn sie ein über der Brust gehendes Querband haben, wie es bei manchen Bauerntrachten vorkommt. Bei guten Hosenträgern atmet man freier als bei fest angezogenem Riemen oder Gurt“.
Als notwendiges Ausrüstungsstück galt auch der Alpenstock, doch wurde seine Notwendigkeit schon damals bezweifelt oder belächelt. Im Jahre 1890 wurde geschrieben: „Ohne langen Alpenstock kann man sich nicht als Bergsteiger photographieren lassen, das versteht sich.“ Gleichzeitig wird erkannt, dass „...wo noch ein beladenes Saumpferd fortkommen kann, da findet so ein Stock keine Verwendung“. Dass er mitunter völlig unnötig sein kann, zeigt der Ausspruch: „Übrigens gebraucht ein routinierter Bergsteiger den Stock nur wenig. ...Bei gewöhnlichen Bergtouren benütze man den Stock, den man mitnimmt, weil man eben daran gewöhnt ist, höchstens um Lufthiebe zu schlagen.“
Fast gleichzeitig mit den ersten Männern stiegen auch Frauen in die Berge. Was von ihrer Ausrüstung verlangt wurde, mutet heute zumindest ungewöhnlich an. Einem Aufsatz aus dem Jahre 1890 entnehmen wir einige Hinweise für die Ausrüstung der Damen: „Die Schuhe sollten hinreichend bequem (nicht neu), mit starken Sohlen und niederen, breiten Absätzen versehen sein.“ Auch die sonstige Kleidung wird nach ihrer Zweckmäßigkeit beschrieben: „Die Unterröcke sollen weich und geschmeidig, ja nicht steif, auch nicht in der jetzt modernen Art geschnitten sein, die beim Steigen hemmt.“ Und weiter: „Der Kleidrock sei aus leichtem Wollstoff von mittleren Farbtönen, glatt, in Seiten- und Rückenbahn in gelegte falten arrangiert und reiche nicht weiter herab als bis zum Knöchel.“ Für steile Aufstiege wurde eine Vorrichtung empfohlen, die es erlaubte, den Rock vorne höher zu raffen. Bei Touren, die zum Teil zu Pferde gemacht wurden, musste der Rock länger sein, benötigte dann aber eine „Raff-Vorrichtung“ aus 12 – 15 Knöpfen und Schlingen.
Zu Erleichterung des Atmens wurde empfohlen, dass „das Mieder sehr bequem sitze“. Ein steifes Mieder hemme nicht nur die Atmung, sondern bedinge auch eine Steifheit des Oberkörpers, die sich auf die Erhaltung des Gleichgewichts auswirkt und einen unsicheren Tritt zur Folge hat. Daher wurden „Mieder ganz ohne Fischbein“ dringend empfohlen.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 75, S. 200 – 203)

Seite Bildunterschrift
 
201 Ausflug anno dazumal.
202-o Mit Stock und Hut auf Bergeshöhn.
202-u Wanderer und Hirten.
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