(Auszug)
von Werner Klemm
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Der Kreuzotter (Vipera berus) begegnet man weitaus häufiger im Gebirge (sie ist kälteresistenter als andere Schlangenarten) als in der Ebene. Tagsüber sonnen sich die sonst nachtaktiven Tiere gerne an ungestörten Plätzen. Verbleibt ihnen beim Nahen des Menschen oder größeren Tieres genügend Zeit zur Flucht, so verschwinden sie möglichst geräuschlos in einem nahe liegenden Versteck. Überrascht und gefährdet, reagiert der in Schleifen gelegte Körper im Vorschnellen mit einem Biss, wobei durch die langen, dolchartigen, innen röhrenförmigen Giftzähne ein Tröpfchen des hochwirksamen Eiweißgiftes tief in das Gewebe des Gebissenen und damit in die Blutbahn gelangt.
Die Sandotter (Vipera ammodytes), bei uns häufiger als Hornviper bezeichnet, ist mit 90
Zentimeter Länge die größte einheimische Viper. In zwei Formen bewohnt sie die
Dobrudscha und den Südwestteil des Landes, ist aber, wie es scheint, im Vordringen nach
Norden, wo sie schon jenseits des Miereschtals bis Zlatna angetroffen wurde. Seit langem
schon kennt man als Fundort den Burgberg von Deva. Im Cernatal gab es geschickte
Fänger, die laufend solche Hornvipern fingen und sie lebend pharmazeutischen Betrieben
zur Erzeugung von Schlangenserum zuführten.
Das Zubeißen und die Giftwirkung ließ mich einmal Prof. Nadra sehen, der im Museum von
Temesvar zwei Hornvipern hielt. Die in den Käfig gesetzte Maus suchte sich schnuppernd
und der Schlange nicht achtend am neuen Platz zurechtzufinden. Es dauerte eine Weile, bis
eine der Vipern auf den Schwanz gestützt und nach vorne federnd der ahnungslosen Maus
blitzschnell einen Biss beibrachte. Das Opfer fiel bald hin, taumelte noch einige Male hoch
und lag zuckend still. Erst nachdem die sich wieder nähernde Schlange — es mögen
inzwischen einige Minuten vergangen sein - die Reglosigkeit des Opfers festgestellt hatte,
begann der Schlingakt.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 75, S. 102 – 108)