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Ein Ei im Fenster

Sehenswertes im Lăpuş-Land

von Christa Richter

Wer Maramureş sagt, hat sogleich das Tal der Mara und Iza vor Augen, mit Einfahrt über den Prislop-Pass und Ausfahrt über Sighetu Marmaţiei (und Săpânţa mit seinem heitren Friedhof) oder über den Gutâi-Kamm nach Baia Mare. Die wenigsten wissen, dass in unmittelbarer Nähe, im gleichen Kreis Maramureş, wo auch Holzkirchen stehen (u. zw. die höchste und die kleinste) die malerische Ţara Lăpuşului (Lăpuş-Land) liegt.
Nach Târgu Lăpuş führt keine Eisenbahn und auch mit den Asphaltstraßen ist es nicht zu gut bestellt. Will man vom Nordwesten her in diese Senke (mit einem Städtchen und einer Handvoll Hirtendörfern) eindringen, muss man sich von Anfang an auf die geschotterte Landstraße einstellen. Doch Schaden hat noch niemand daran genommen. Kommt man beispielsweise über Baia Mare und Baia Sprie, trifft man an einer Wegkreuzung auf das Dorf Siseşti. Hier steht eine Holzkirche vom Beginn des 18. Jh., die zu den höchsten Holzbauten Europas gezählt wird. Ihr Turm beträgt 54 m. Beeindruckend ist ihr eigenartiger Baustil, die vergoldete Altarwand, die alten Grabkreuze auf dem Friedhof. Stark gelitten hat allerdings die Wandmalerei des Meisters Ştefan, der auch die Kirche im Nachbardorf Plopiş ausmalte.
Sie ist der ersten ähnlich, entstand Ende des 18. Jh. und ist, wie auch die ersterwähnte Kirche, eine Stiftung der Dorfbewohner.
Neben diesen hohen, schlanken Holzkathedralen nimmt sich das Holzkirchlein von Rogoz (nördlich von Târgu Lăpuş) gleich einem Schatzkästlein aus. Es stammt aus dem Jahr 1560 und unbekannte Meister gaben ihm ein einzigartiges Aussehen: die dicken Ulmenbalken wurden in Form von Pferdeköpfen abgeschlossen und miteinander verbunden. Gut erhalten sind hier die Wandmalerei (18. Jh.), die alten Holz- und Hinterglasikonen, der holzgeschnitzte Kandelaber in Form eines doppelköpfigen Pfaues. Ein zweites, in unmittelbarer Nähe stehendes Kirchlein fällt durch sein asymmetrisches Dach auf, das den lang gestreckten „Armentisch“ überdeckt, an dem vor Zeiten die Armen des Dorfes gespeist wurden.
Viele Bräuche sind im Lăpuş-Land beheimatet. Auch heute noch kann man in manchen Dörfern ein Ei oder Spieglein in einem Fenster der Straßenseite entdecken: was bedeutet, dass hier ein heiratsfähiges Mädchen wohnt. Handelt es sich um einen Burschen, zeugt ein roter Apfel davon. Die Verlobungsbräuche, die Sitten anlässlich der Winterfeiertage, der Schatz an mündlichen Überlieferungen haben hier einen ganz besonderen Reiz. Die schöne Volkstracht kann während des Brauchtumfestes von Stoiceni (dritter Sonntag im Juli) bewundert werden.
Doch auch Naturliebhaber werden nicht enttäuscht. Südlich von Târgu Lăpuş liegen die Borcut- und Răzoare-Klamm (herrliche Wasserfälle); nordwärts führt der Weg zum Vulkankegel des Ţibleş (1839 m), wo zwar nur die Arcer-Unterkunft Schutz gewährt – doch wo eine herrliche, unberührte Natur mit reicher Pflanzen- und Tierwelt das Auge entzückt.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 75, S. 242)

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