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Auf staubfreien Bahnen

Aus der Geschichte des Skisports

von Dr. Michael Kroner

„Nicht hinter dem Ofen, nein, draußen in staubfreier Luft, auf lichtumflossenen Höhen lernen wir den Winter kennen, und er ist kein griesgrämiger Greis, sondern ein Lebenswecker, ein herrlicher Bildner, ein großartiger Maler, ein Freund, welcher den Menschen Kraft, Mut, Hoffnungsfreude, ein gesundes Streben, ein festes Selbstvertrauen einhaucht. Ein Freund, dessen Heilerfolge überall immer uneingeschränkter gewürdigt werden.“
Mit diesen Worten schloss Julius E. Teutsch seinen Aufsatz über die Tätigkeit des Skivereins Braşov in den ersten Jahren seines Bestehens. Der Beitrag erschien 1910 in einem dem Wintersport gewidmeten Sonderheft der „Karpaten“. Diese und andere Beiträge des Heftes wollten für den Wintersport, der sich damals noch in den Kinderschuhen befand, werben.

Wiege des Wintersports

Obwohl Winterausflüge in die Schulerau, auf den Krukur, den Schuler schon aus den 50er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts belegt sind (den ersten bekannten Winterausflug auf den Schuler unternahmen am 21. November 1857 zwei Obergymnasiasten der Stadt:
Eduard Gusbeth und Eduard Copony, die später bekannten Ärzte der Zinnenstadt), und seit 1886 einige Mitglieder des „Siebenbürgischen Karpatenvereins“, die die Winterfeiertage in der Schuler-Schutzhütte verbrachten, wurde der Skisport erst Anfang unseres Jahrhunderts in der Zinnenstadt durch den Arzt Dr. Miess, den Alteisenhändler Zeidner und Dr. Schmidt bekannt.
Zunächst wurden diese wagemutigen Männer gehänselt und verspottet. Man erzählte sich lächelnd, dass holzsammelnde Frauen am Hangestein sie einmal aus den Schneemassen hätten befreien müssen.
Trotzdem fanden sich bald neue Anhänger, und der Skisport begann seinen Siegeszug. 1905 gründeten etwa 40 begeisterte Skiläufer aus Braşov einen Skiverein, der gleichzeitig auch der erste derartige Verein des heutigen Rumäniens war. Dem Verband schlossen sich schon im ersten Jahr neun Damen als ausübende Mitglieder an. Man startete zu Übungsfahrten auf der Postwiese und der unteren Schulerau sowie zu Ausflügen. Die wichtigsten davon waren 1905: Ein Ausflug in die Bucegi am 18. November (ohne Skier), ein Ausflug bis zur dritten Terrasse des Mălăieşti-Tals mit Skiern und dann jener vom 31. Dezember auf die Schulerspitze.
Die Stützen des jungen Skivereins waren der Arzt S. Gusbeth, Prof. W. Dick, Julius Fromm, E. Kamner, Vogel und Thomas. Erster Vorsitzender des Vereins war Joseph Kolbe.

Mit Stock und Hut

Die Ausrüstung und Bekleidung war noch sehr unterschiedlich. So ließ der Kaufmann Gebauer sich nicht überzeugen, bei der Abfahrt den Hut abzulegen. Da er jedoch allzu oft stürzte, musste er seine Kopfbedeckung wie einen Klappzylinder immer wieder in Form bringen. Die Männer trugen hauptsächlich Kniebundhosen und dicke Wollpullover und als Kopfbedeckung Wollmützen, bis sich schließlich die einheitliche blaue Skikappe durchsetzte.
Die Frauen trugen lange Röcke oder Hosenröcke. Besondere Schuhe gab es nicht. Man benützte dazu Bergschuhe, die nach einem Rezept von Prof. W. Dick wasserdicht gemacht wurden. Und war es sehr kalt, so wickelte man sich Sackleinwand um die Schuhe.
Die ersten Skier wurden aus dem Ausland gebracht, nach ihnen dann Kopien von einem Fassbinder der Altstadt hergestellt, bis dann eine Tischlerei in Codlea die Herstellung übernahm.
Braşov wurde durch diese Tätigkeit zur Wiege des Wintersports in Rumänien, denn der Skisport wurde damals bloß von Militäreinheiten in Cluj und Tg. Mureş gepflegt. In Sibiu wurde erst 1909 der zweite Wintersportklub des Landes gegründet. Dann begannen sich auch die übrigen Städte zu regen. Jenseits der Karpaten machte im Winter 1909 Sinaia den Anfang.
Die Mitgliedzahl des Skivereins Braşov wuchs unaufhörlich in den Jahren nach seiner Gründung. 1906 pachtete man eine Almhütte in der Schulerau, die mit moosgepolsterten Bänken und einem Sparherd, den der Eisenhändler Edi Kamner stiftete, zu einem trauten Heim eingerichtet wurde. Man konnte sich hier erwärmen, ausrasten, einen heißen Tee zubereiten und Würstchen braten.

Kostümiertes Abendlaufen

1907 wurde der Leiter des „Wiener Alpenskivereins“, Mathias Zdarsky, zur Abhaltung eines Skikurses eingeladen. Er brachte erst, wie ein Zeitgenosse schreibt, den Skisport in die Zinnenstadt. „Früher gab es bei uns nur wilde Fahrer, die von einer Fahrtechnik wenig mehr als eine blasse Ahnung hatten“, heißt es in demselben Bericht des Skilehrers R. Stockhammer.
Am 31. Januar desselben Jahres fand auf der Postwiese bei Azetylen- und Lampionbeleuchtung schließlich ein kostümiertes Abendlaufen vor Hunderten von Zuschauern statt. „Um etwas Besonderes vorzuführen“, heißt es in den Erinnerungen eines Teilnehmers, „befestigten wir ein paar Skier an einer Blechbadewanne, und johlend fuhren wir im Badeanzug und mit Badehaube die Wiese herunter.“
Auch das erste „Siebenbürgische Skiwettrennen“ fällt in dieses Jahr.
Mittlerweile bestiegen kleinere Gruppen mit Skiern immer wieder den Schuler, den Hohenstein und die Bucegi und 1907 erstmals auch den Königstein.
Um auch für Nachwuchs zu sorgen, gründete der Skiverein eine Zöglingsriege. Gegen einen geringen Beitrag erhielten Jungen und Mädchen von 10 Jahren aufwärts unentgeltlich Unterricht im Skilaufen.

Skiwettkämpfe

Am 12. und 13. Februar 1909 fand der erste große, sportlich bedeutende Skiwettkampf des Landes statt. Etwa 3000 Personen erwarteten die Läufer auf der Schützenwiese. Hier die Ergebnisse des Wettkampfes:
Damenabfahrtslauf (1,5 km – 9 Teilnehmerinnen): I. Platz: Dora Teutsch, 5 Min. 24 Sek.; II. Lotte Scherg; III. Dora Czell.
Junioren-Abfahrtslauf (dieselbe Strecke – 12 Teilnehmer): I. Brando Schuster, 3 Min. 8 Sek.; II. Hans Lassel; III. Hans Greissing.
Skiwettlauf um die Meisterschaft von Siebenbürgen (7,5 km von der Skihütte in der Schulerau bis zur Schützenwiese, 12 Teilnehmer): I. Helmut Wächter, 58 Min. 40 Sek.; II. Kurt Seewaldt; III. Rudolf Stockhammer.
Seit diesem Winter besaß der Skiverein – er zählte mittlerweile 163 Mitglieder – auch eine geräumige 5-Zimmer-Hütte in der Schulerau. „Sie ist“, schrieb der damalige Vorsitzende des Vereins, Julius E. Teutsch, „ein fester Stützpunkt für den Ski- und Rodelfahrer, den Sport- und Naturfreund, und bildet den ersten zielbewussten Schritt zur Erschließung der ungehobenen Schätze, welche die Schulerau für das leibliche und geistige Wohl der Bevölkerung noch in sich birgt“.
Der Rodelsport fand desgleichen immer mehr Anhänger. Allein im Winter 1909/1910 wurden 600 Rodel verkauft.
Skilehrer aus dem Ausland, wie Luther aus München (1912), lehrten hier die nordische Zweistocktechnik, während in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg die Brüder Ruud aus Norwegen dafür gewonnen wurden, den Sprunglauf hier heimisch zu machen. So entstand am Schulerhang, unterhalb der Dresterquellen, eine größere Sprungschanze, abseits rechts davon ein Slalomhang. Für die Anfänger gab es am „Idiotenhügel“ ein gutes Übungsgelände.
In Zusammenarbeit mit dem Karpatenverein und den rumänischen Touristikverbänden baute man neue Hütten, die auch zur Winterzeit in Betrieb blieben. Man konnte nun ganz anders einen Ausflug planen und durchführen. Die Speisesäle der Hütten wurden zum geselligen Treffpunkt der Touristen und Wintersportler.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 75, S. 196 – 199)

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