Mit dem Auto durchs Banater Bergland
von Georg Hromadka
Längst ist die Europastraße E 94 nicht mehr die einzige Straße mit Asphaltbelag, die uns die
Bergwelt des Banats erschließt. Man kann sagen, dass im Kreis Karasch-Severin (einem
ausgesprochenem Montangebiet, in dem seit zweitausend Jahren Bergbau betrieben wird
und seit 250 Jahren die Fabrikschlote rauchen, in dem sich aber auch der Tourismus als
neuer Industriezweig kräftig entwickelt) jetzt schon ein ganzes Netz moderner Straßen
vorhanden ist, deren Touristische Bedeutung ihrer wirtschaftlichen Funktion nicht nachsteht.
Knotenpunkt dieses Systems von Asphaltstraßen ist die Kreishauptstadt Reschitza (Reşiţa,
mit 204 Jahre altem Hütten- und Maschinenbauwerk Wiege der rumänischen
Schwerindustrie, wichtiger touristischer Stützpunkt).
Im Norden des größtenteils von Rumänen (Abkömmlingen der Dazier), zum Teil auch von
Deutschen, Kraschowänern, Serben und Ungarn bewohnten Kreises Karasch-Severin sorgt
ein 120 km langes Asphaltband dafür, dass beispielsweise der Retezat, ein Ziel, an das man
früher nur nach langen und umständlichen Eisenbahnfahrten herankam, nun von Reschitza
aus in wenigen Stunden erreicht ist. Die Straße Reschitza – Karansebesch (Caransebeş) –
Sarmizegethusa – Hatzeg (Haţeg) führt auf Banater wie auf Siebenbürger Boden an
geologisch, historisch und landschaftlich bedeutsamen Stätten vorbei. Schon bei Soceni (10
km von Reschitza entfernt) liegen in der Nähe der Straße die beiden Fossilienfundorte
Turislava und Poliţoanca. Vor Karansebesch, in
Păltiniş (das früher Valea Boului hieß: nach
der Römersiedlung Caput Bubalis), steht auf einem Hügel eine Holzkirche aus dem 17.
Jahrhundert. Das freundliche Karansebesch (im Mittelalter ein wichtiges
Verwaltungszentrum, bis 1944 das, was man damals eine „Garnisonsstadt“ nannte, heute
eine Stadt mit aufstrebender Industrie) ist Ausgangspunkt für Sommer- und Winterausflüge
auf den Muntele Mic (1806 m hoch, Touristenhütten in 1500 m Höhe, Hotel im Bau). Eine
asphaltierte Straße führt an den Berg heran (Asphalt bis Borlova und ein Stück darüber
hinaus, ins Cunt-Tal, wo zu Beginn des Jahres 1975 noch am Bau einer Seilschwebebahn
gearbeitet wurde). Bei Zerveşti (6 km von Karansebesch) liegt eine Narzissenwiese. Bei
Turnu Ruieni ragt, weithin sichtbar, die Ruine eines Wachturms (15. Jahrhundert) in die Höhe
(der Name „Turnu lui Ovidiu“) hat mit dem römischen Dichter Ovid nichts zu tun; er geht auf
das slawische Wort „widok“ = „Spähturm“ zurück).
Auf dem Weg von Karansebesch nach Sarmizegethusa passiert man nach 20 km den
seinerzeit unter dem Namen Ferdinandsberg bekannten Industrieort Oţelul Roşu. (Im Tal der
Bistra Mărului führt südostwärts eine 21 km lange Asphaltstraße nach Poiana Mărului, einen
zwischen wald- und almbedeckten Ausläufern der Massive Ţarcu und Bloju gelegenen
Luftkurort.) Bei Voislova (28 km von Karansebesch) weist ein Schild nach links (nordwärts):
20 km bis Ruskitza (Ruschiţa), dem rumänischen Carrara (9 km Asphaltweg bis Rusca
Montană). Der Marmor von Ruskitza ist überaus geschätzt. Die Marmorbrüche sind
sehenswert. Von Karansebesch 47 km weit entfernt liegt in 700 m Höhe das Eiserne Tor
Siebenbürgens (Poarta de Fier a Transsilvaniei). An diesem Pass hat mutmaßlich Tapae
gelegen, der Ort, wo in den Jahren 88 und 101 schwere, das Schicksal Daziens besiegelnde
Kämpfe zwischen den Legionen Trajans und den Truppen Dezebals stattgefunden haben.
Jenseits des Passes, schon auf siebenbürgischem Gebiet (Kreis Hunedoara), ist rechts vom
Weg ein Monument zu sehen: ein mächtiger Streitkolben („buzdugan“), der an den Sieg über
die Türken im Jahre 1442 erinnert. Sarmizegethusa mit den stattlichen Ruinen der
Römerkolonie Ulpia Traiana („römisches Sarmizegethusa“) ist nicht weit.
Eine Straße mit lebhaftem Touristenverkehr ist die Asphaltstraße Reschitza – Văliug. Durch
das uralte Bergdorf Cuptoare, vorbei an der Piatra Albă, dem letzten Kalksteinberg am
Nordrand des Banater Karsts, führt sie zum „romantischen“ Franzdorfer Stausee und in die
Crivaia (Berghotel und Schutzhütten, 700 m hoch in Seenähe). Von Văliug (Franzdorf) steigt
eine asphaltierte Straße in zahlreichen Windungen zum Prislop-Sattel (1000 m hoch). Sie
führt ins Siedlungsgebiet der Wolfsberger und Weidenthaler „Böhmen“ (Deutschböhmen).
Bei Gărâna (Wolfsberg, als Luftkurort bekannt) und Brebul Nou (Weidenthal) breitet sich,
umrahmt von Almen und Nadelwäldern, der Stausee „Drei Wässer“ (Trei Ape) aus. An seinen
Ufern stehen ein Hotel und mehrere Campinghäuschen. In der Nähe des Prislop-Sattels
zweigt eine (nur in ihrem oberen Abschnitt gepflasterte) Straße südwärts ab. Auf ihr erreicht
man das 1400 m hoch gelegene Wintersport- und Erholungszentrum Semenik (jüngst
wesentlich „angereichert“: u. a. mit einem großen Hotel). Wegen der Bauarbeiten war die
Straße Anfang 1975 für PKW’s nicht befahrbar. Auf den Semenik gelangt man am besten
von Văliug aus mit der Seilschwebebahn (Einseilbahn mit Zweimannsesseln). Nahe
Wanderziele auf dem Semenik: die Goznaspitze (1445), die Semenikspitze (1445), das
Adlerbad (Baia Vulturilor) und die Piatra Nedeii (1434).
Am Ostende von Reschitza biegt eine Straße ins Bersautal (Valea Bârzavei) ein. Sie
verbindet die Industriestadt mit einer ihrer nächstgelegenen, zugleich angenehmsten
Erholungsstätten, dem Stausee Sekuler Brücke (Şura Ortacilor). Die Straße ist größtenteils
asphaltiert; an den letzten Kilometern wird noch gearbeitet. Am Südufer des Sees stehen
mehrere Gaststätten und Hotels.
Den ausgedehnten Banater Karst durchquert eine 100 km lange Asphaltstraße, die von
Orawitza (Oraviţa, ältester montaner Industrieort des Landes mit ältester Eisenbahnstrecke,
ältester Gebirgsbahn, ältestem Bahnhof und ältestem Theater) über Anina (Steierdorf) und
Bozovici nach Mehadia führt und hier die Fernverkehrsstraße E 94 erreicht. Schönste
Ereignisse auf diesem Weg sind Steierdorf (eine zur Bergarbeiterstadt Anina gehörende
Siedlung von Steirern) und das Minischtal (Valea Minişului). Zwischen Orawitza und
Steierdorf steht in 700 m Höhe das Sanatorium Marila. Von den vielgestaltigen
Karstformationen des Minischtals verdienen die Coronini-Fälle und die dahinter, am Fuß des
Coronini-Felsens, entspringende Coronini-Quelle (Bigăr, eine Karstquelle) besondere
Bedeutung. Im großatmigen, fruchtbaren Almascher Tal (Valea Almăjului) zweigt zwischen
Bozovici und Prilipeţ eine Straße südostwärts ab. Sie wendet sich Rudăria zu. Eine
Forststraße führt von Rudăria hinaus in die (nicht in mürben Kalkstein, sondern in hartes
metamorphes Gestein geschnittene) Rudăria-Klamm mit ihren alten Wassermühlen.
Nach Orawitza gelangt man von Reschitza aus auf dem 60 km langen Asphaltweg über
Lupak, Goruia und Grădinarii.
Die Straße ist auch für den interessant, der Kraschowa
(Caraşova, Siedlungszentrum der Kraschowäner, eines südslawischen Volkssplitters am
Nordwestrand des Banater Karsts; schöne Kirche aus dem 18. Jahrhundert) und die
Karasch-Klamm (Cheile Caraşului) mit der berühmten
Prolas, der Fledermaus-Höhle, der
Kraschowaer Burg (Ruine einer Festung des Mittelalters) sehen will. In diesem Fall schlägt
man 20 km von Reschitza entfernt (vor Gârlişte) einen in östlicher Richtung sich
hinziehenden Schotterweg ein (5 km bis Kraschowa). In die Karasch-Klamm führt ein
schmaler, in den Fels gehauener „Reitsteig“ (Kraschowa – Prolas-Wiesen und zurück: drei,
vier Stunden). Jenseits der Karasch-Klamm liegen die beiden bekanntesten und schönsten
Höhlen des Banats: Komarnik und Popovăţ. Sie sind von Kraschowa aus schwer zu machen.
Von derselben Autostraße Reschitza – Orawitza zweigt etwas weiter ein asphaltierter Weg
nach Gârlişte ab (Reschitza – Gârlişte: 26 km). Unweit vom Dorf liegt die Gerlischter
Schlucht (Cheile Gârliştei). Es lohnt sich, drei, vier Stunden einem „Augenschein“ in der
Schlucht zu widmen (wobei man aber nicht viel mehr als 1 km flussauf vorstößt; ein
Durchschreiten der langen und wilden Schlucht ist schwierig und verlangt viel Zeit).
Eine vor wenigen Jahren gebaute Asphaltbahn führt von Orawitza über Naidăş an die Donau:
nach Alt-Moldowa (Moldova Veche), dem Mudava der Dazier (in der Nähe: Neu-Moldowa,
Moldova Nouă, mit uralter, neu aufblühender NE-Metallgewinnung). Inzwischen ist das
Asphaltband entlang der Donau bis Berzasca verlängert worden. In diesem Abschnitt können
die Babakai-Felsen gesehen werden, die Ruine der Ladislaus-Burg (Coronini-Feste) und (am
jugoslawischen Ufer) die imposante Festung Golubac. Die „großen Brocken“ der
Klissura
(Donauenge), die einzigartigen Kasane, werden dem Autotouristen wieder zugänglich, sobald
die vielversprechende Asphaltstraße Moldowa – Orschowa fertig gestellt sein wird. Die
Verlegung der Straße ist, wie man weiß, durch den Bau des Großkraftwerks am Eisernen
Tor notwendig geworden.
Der Asphaltweg Orawitza – Moldowa ermöglicht den Zugang zur Nera-Klamm (Cheile Nerei),
einer der schönsten Schluchten Rumäniens. Die asphaltierte Straße biegt hinter Răcăşdia
südostwärts ab. Ihr Endpunkt ist Saska (Sasca Montană), ebenfalls ein alter, neubelebter
Industrieort. Hier kann das reizende Mühltal (Şuşara) besucht werden. Hinterm Berg
sozusagen, am Ausgang der 20 km langen Klamm, liegt das Dorf Sasca Română. Zu den
berühmten Beg-Türmen (Turnurile Begului) und zum Teufelssee (Lacul Dracului) führt ein
„Reitsteig“. Vermerkt sei, dass man die Nera-Schlucht auch von Orawitza aus über
Tschiklowa (Ciclova Montană, bis hierher Asphalt),
Ciclova Română, Ilidia (in der Nähe
Ruinen mittelalterlicher Burgen und die einsame Valea-Mare-Schlucht mit dem „Bemalten
Stein“), Socolari (4 km östlich davon die Felsenburg „Maria Theresia“), Potoc erreichen kann.
Von Potoc führt eine Forststraße ins untere Bee-Tal (Valea Beiului) und in die Nera-Klamm.
Oberhalb der Bee-Brücke (Podul Beiului) zweigt ein alter Fahrweg nach rechts ab: zum
Waldhaus Damian. Das Forsthaus ist eine gute Basis für Per-pedes-Unternehmen die Nera
flussaufwärts oder ins Bee-Tal hinauf zur Okubee (Ochiul Beiului) und zu den Bee-Fällen
(Cascadele Beuşniţei).
Verkehrsreichste Asphaltstraße ist im Kreis Karasch-Severin die erwähnte Europastraße E
94. Schon bei Lugosch (Lugoj) läuft sie mit der im Semenik-Gebirge entspringenden
Temesch (Timiş) parallel. Bei Jupa, 7 km vor Karansebesch, sind vor wenigen Jahren die
Reste der römischen Niederlassung Tibiscum ausgegraben worden. Breits vor
Karansebesch zeigen sich dem von Temesvar (Timişoara) anreisenden Touristen im
Südosten die Banater Karpaten. Die hohen Berge rücken rasch näher. Deutlich erkennt man
die Riesenkuppe des Muntele Mic (1806 m) und, dahinter, das burgartig gebaute
Ţarcu-Massiv (2196 m). Zwei Dutzend Kilometer südlich von Karansebesch, bei Slatina (Kirche aus
dem 18. Jahrhundert) und Alt-Sadowa (Sadova Veche, Siedlung von Deutschböhmen), ist
man schon mittendrin in der Bergwelt. Die Armeniş-Klamm (Cheile Armenişului) wird
durchfahren. An ihrem oberen Ende kann man die Piatra Scrisă besichtigen (den
„Beschriebenen Stein“: Reste einer Höhle mit Schriftzeichen aus dem 16. Jahrhundert). Eine
zweite Talenge folgt: die Teregovaer Klamm (Cheile Teregovei). Vor Teregova sind Spuren
des römischen Kastells (Truppenlagers) Gaganis zu sehen. Poarta (Poarta Orientalis, 515 m
hoch) ist die Wasserscheide zwischen dem Temesch- und dem Cerna-Becken. Von Cruşovăţ
zweigt nordwestwärts eine Schotterstraße nach Cuptoare ab. Hier kann man den
„Drachen“
sehen („Balaurul“: Erosionsformen, die den „Babele“ im Butschetsch ähneln). Mehadia (das
römische Ad Mediam) spielte im Kampf gegen die Tataren, später gegen die Türken eine
wichtige Rolle. An die Römerzeit erinnern spuren eines Kastells („La zidărie“ – „Beim
Mauerwerk“), an das Mittelalter die imposante Festungsruine auf dem Burgberg („La cetate“).
Sehenswert ist in Mehadia auch die orthodoxe Kirche. Europäischen Ruf hat Herkulesbad
(Băile Herculane, von den Römern seinerzeit Ad Aquas Herculi Sacras genannt). Dem
Touristen bietet es eine ganze Reihe von Sehenswürdigkeiten, u. a. die Römischen Bäder,
die Galerie der Votivtafeln, die Herkulesstatue, die Räuberhöhle (Grota Haiducilor). Nahe
Wanderziele sind die Coronini-Höhe, die Csorich-Höhe (Ciorici), die Schwitzhöhle (Grota cu
Aburi), die Sieben Heißen Quellen (Şapte Izvoare), das Weiße Kreuz (Crucea Albă). Der 1106
m hohe Domogled (Naturschutzgebiet) und das Cerna-Tal (Valea Cernei), das vielleicht
schönste Karsttal Rumäniens, sind Kapitel für sich. Auf einem Forstweg kommt man im
Cerna-Tal nach 13 km Fahrt zur Schutzhütte Valea Cernei.
Von Herkulesbad flussabwärts führt die Straße nach Topleţ, einem Industrieort mit Tradition
im Maschinenbau. In der Nähe, beim Kilometerstein 380, ragt über der Cerna ein Felsgebilde
auf: die Banater Sphinx (Sfinxul Bănăţean). Weiter unten sieht man an zwei Stellen Reste
des Aquädukts, den die Türken 1739 bauten (um die Grenze zu Österreich weiter nach
Westen zu verlegen und Orschowa zu behalten – was nicht gelang).
Das neue Orschowa (Orşova) und die durch die Stauung der Donaufluten entstandene
Cerna-Bucht gehören bereits zum Kreis Mehedinţi. Endziel einer Autoreise auf dem Banater
Stück der Europastraße E 94 ist fast immer das gigantische Donaukraftwerk am Eisernen Tor
(Karansebesch – Eisernes Tor: rund 100 km). Landschaftlich gesehen ist das
hydroenergetische System ein glänzendes Gegenstück zu den gewaltigen Kasanen der
Klissura.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 75, S. 137 –144)
Seite | Bildunterschrift |
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138 | Kartenskizze: Asphaltwege im Banater Bergland. |
140 | Reschitza: industrieller Schwerpunkt und touristischer Knoten. |
141-o | Der Turm von Ruieni. |
141-u | Die Coronini-Quelle. |
142 | Mühle in der Rudăria-Klamm. |
143 | Der Teufelssee. |
144 | Einer der zahlreichen Bee-Fälle oberhalb der Okubee. |