Rumänische Bauernarchitektur, Tismana und ein kleiner Abstecher in vergangene Zeiten
von Corina Nicolescu
Das Hügelland am Fuße des Retezat-Gebirges, das die Depression des Jiu (Schil) vom
Petroşanier und Hatzegerland trennt, ist bestimmt die malerischste Gegend Olteniens.
Kommt man mit dem Auto aus Sibiu oder Piteşti, sollte man unbedingt in Râmnicu –Vâlcea
eine Rast einlegen, bevor man die zahlreichen architektonischen Denkmäler besichtigt, die
abseits der Asphaltstraße liegen. Wegweiser sind die zahlreichen Abzweigungen, die in
Richtung Govora, Bistriţa, Horez, Mănăstirea dintr-un lemn oder Schitul Polovraci hinweisen.
Auf dieser Straße von Râmnicu-Vâlcea nach Târgu-Jiu, von wo man bis Tismana 36
Kilometer in nordwestlicher Richtung zurücklegt, zeugen nicht nur die Klöster von der
einstigen Kultur und Kunst dieses Landesteils. Auf Schritt und Tritt überrascht den
aufmerksamen oder durch Lektüre darauf vorbereiteten Reisenden nicht minder die
Schönheit der Bauernhäuser (zumeist aus Holz).
Etwas Ackerbau, ausgedehnte Obstpflanzungen und in jüngster Zeit auch petrochemische
Industriekombinate haben das ursprüngliche Bild dieser Landschaft im Laufe der Zeit
gewandelt, die einst Eichen- und Buchenwälder beherrschten. Im Norden des Kreises Gorj
wurden daher bis in die jüngste Zeit Bauernhäuser und Kirchen aus wuchtigen Eichenbalken
gefügt, so dass die Gegend stark an das Bergland Maramureş im Norden Siebenbürgens
erinnert. Auf den grünenden Hügeln, zwischen Wiesen und Obstgärten, zwischen den
Flüssen Olteţ und Motru hat sich eine weitere wahre Insel der rumänischen Holzbauweise
erhalten. Man begegnet ihr vor allem in den uralten Dörfern, die bereits in Urkunden aus dem
XIV. Jahrhundert erwähnt werden. Das etwas weiter südlich gelegene Castrum von Răcari
und zahllose andere römische Hinterlassenschaften bestätigen auf Schritt und Tritt, wie stark
dieses Gebiet von romanischem Einfluss geprägt wurde. Angenehm überrascht ist der
Besucher von der trotz allem malerischen dennoch harmonischen Ausgeglichenheit der alten
Häuser von Gorj, die vom Fundament bis zur Dachschindel aus Eichenholz bestehen.
Äußerst selten erheben sie sich auf einem steinernen Unterbau, dafür hat aber jedes einen
weiten Altan (mit Säulen gestützte Terrasse), der auf reich geschnitzten Pfosten ruht, und ist
mit einem Geländer, „parmalâc“, geschmückt, das ebenfalls reichlich Schnitzwerk,
hauptsächlich mit geometrischem Dekor, aufweist. Die Pfosten der alten Häuser von Gorj
bestehen aus einer Folge regelmäßiger prismatischer Formen; auch „Schlangenlinien“ sind
häufig. Die geometrischen Motive sind in seilartig gewundenen Ornamenten angeordnet, die
den Bauten eine elegante Schlankheit verleihen. Viele schon in diesen der Gegend von Gorj
eigenen geschnitzten Pfosten sind Analogien zur „Endlosen Säule“, einem der
eindrucksvollsten Werke Constantin Brâncuşis, das sich in der Stadt Târgu-Jiu erhebt.
Die Straße führt durch eine bezaubernde Landschaft, an Bauten dieser einzigartigen
Holzarchitektur vorbei, durch das Dorf Tismana, heute wie einst für seine Stickereien
berühmt, um schließlich am Fuße einer hohen, schroffen Felswand zu halten, auf der sich
gleich einer wahren Festung das Kloster Tismana erhebt, als ob es den Pass in die Vulcan-
Berge bewache. Dieser Engpass zwischen hohen Bergen ist erfüllt vom Getöse des wild
dahin schießenden Tismana-Baches. Vor den Blicken taucht plötzlich der steile, bewaldete
Bergsporn auf, dessen Felsen in die wuchtigen Klostermauern überzugehen scheinen; der
Bach durchbohrt die Felswand und stürzt sich dann aus 38 Meter Höhe als brausender
Wasserfall ins Leere. Eine andere Steilwand ragt im Nordosten des Klosters auf und bildet
eine Art natürliches Bollwerk; in diesem Felsen ist noch der Eingang in die Höhle zu sehen,
in der Nicodim als Einsiedler hauste.
Trotz aller Umgestaltungen und Restaurationen, die Tismana erlebte, bleibt es ein in
Rumänien einzigartiges Baudenkmal der Vergangenheit. Das verdankt es in erster Linie
seinem Standort, der nicht nur malerisch ist, sondern mit Absicht so gewählt wurde, dass der
Bau auch als Feste zum Schutz der Bergpässe dienen konnte. Die Herkunft des Namens,
den das Kloster trägt, ist gerade in seinem Ursprung zu suchen. Wie der Diakon Stefan
berichtet, wurde es aus „einem einzigen Eibenbaum“ gebaut. Nicodim verwendete das Holz
einer einzigen Eibe – eines heute sehr selten gewordenen Baumes mit außerordentlich
festem, widerstandsfähigem Holz, das sich zum Schnitzen besonders gut eignet –, um hier
die erste Klause zu errichten. Nicodim, ein Mönch serbischer Abstammung, von griechischer
Bildung, der seine Jugend auf dem Berge Athos verbracht hatte, wanderte auf der Suche
nach einer Zufluchtstätte lange durch Serbien und den ganzen Balkan. Eine Zeitlang lebte er
dann in Vodiţa unweit der Donau und ließ sich schließlich in dieser wilden, unwirtlichen
Gegend nieder.
Der steinerne Bau in Tismana wurde höchstwahrscheinlich um 1377 – 1378 in der Zeit Radu
I. begonnen und unter dessen Nachfolger Dan I. vollendet. Von der Gründung und bis zur
Regierungszeit Gheorghe Bibescus im XIX. Jahrhundert galt dem Kloster Tismana das stete
Augenmerk von Landesherren und hohen Würdenträgern der Walachei. Deshalb wurde es
im XVI. Jahrhundert wieder aufgebaut und 1564 auf Veranlassung des Vornic (Statthalter)
Nedelcu Bălcescu erstmalig ausgemalt. Die vor kurzem in der Vorhalle der Kirche entdeckte
Malerei stammt von Künstlern dieser Epoche. Im XVIII. Jahrhundert wurde sie durch die von
dem Bojaren Glogovreanu bestellten Fresken zugedeckt; deren Bildnisse haben sich an der
Westwand des Kirchenschiffs erhalten. Matei Basarab ließ seinerseits im Jahre 1650 eine
Kapelle errichten, die 1782 wieder instand gesetzt wurde.
Infolge seiner strategischen Lage war das Kloster Tismana immer wieder Zerstörungen
ausgesetzt; am meisten hatte es 1788 zu leiden. Dasselbe militärische Interesse, das
Tismana stets erweckte, veranlasste auch den österreichischen Offizier Weiss zu Beginn des
XVIII. Jahrhunderts, eine Skizze des Klosters anzufertigen, da es zusammen mit anderen
Klöstern Olteniens – Bistriţa, Arnota, Strehaia usw. – in den österreichischen Türkenkriegen
jener Zeit einem Befestigungssystem integriert werden sollte. Diese Skizze ist bis auf den
heutigen Tag ein einzigartiges Dokument geblieben, weil sie uns das Bauwerk so zeigt, wie
es vor dem Umbauen und den Hinzufügungen aussah, die der vom Fürsten Gheorghe
Bibescu eigens bestellte Architekt Schlatter vornahm. Ebenfalls seiner strategischen Lage
wegen wurde Tismana von den Panduren (leichte Fußvölker bei der österreichischen Armee)
Tudor Vladimirescus genutzt, die in der Nähe, bei Padeş, ein wichtiges Lager hatten.
Wahrscheinlich beeindruckte gerade diese Besonderheit den österreichischen Architekten
Schlatter so sehr, dass er dem Bau das Aussehen einer neugotischen Burg zu verleihen
suchte, mit mehreckigen Türmen, Zinnen an den Mauern und einem gewaltigen Bergfried
über dem Tor. Bedauerlicherweise hatte dieser neue Baustil, ein Traumbild des Europas der
Romantik, nichts gemeinsam mit dem ursprünglich serbisch-byzantinischen Stil und seinen
Anklängen an das Kloster Athos, den Tismana im XIV. Jahrhundert aufwies und von dem
sich – mit einigen Umbauten – nur die Kirche in der Mitte des Hofes erhalten hat. Sie hat
einen kreuzförmigen Grundriss und weist eine für Kirchen der Walachei sonst ungewohnte
Höhe auf, sie besitzt eine offene Vorhalle, die vor kurzem gemäß den Umbauten im XVI.
Jahrhundert restauriert wurde. Dabei handelt es sich um einen Steinbau, bei dem die Ziegel
eine ganz untergeordnete Rolle spielen.
Ungeachtet aller bisherigen Forschungen sind die Fachleute noch nicht in der Lage,
endgültig darüber zu entscheiden, wann die Kirche, in der Form, in der wir sie heute kennen,
errichtet wurde. Den einen zufolge bewahrt das Bauwerk noch recht viele Elemente seiner
ursprünglichen Architektur aus dem XIV. Jahrhundert, andere glauben es jedoch mit einem
totalen Um- und Neubau aus dem XVI. Jahrhundert zu tun zu haben. Umrisse, Höhe, die Art
der Wölbung, Stein als vorherrschender Baustoff – all das bedeutet auf den ursprünglichen
Bau hin; allerdings brachte die Restauration von 1541 eine weitgehende Änderung; damals
kam auch die Einfassung der Hauptpforte mit ihren orientalischen Motiven hinzu. Die
anderen Klosterbauten bewahren allerdings nichts von den Proportionen oder Details des
alten Baustils, da sie im XIX. Jahrhundert von Grund auf verändert wurden. In den hohen
Gängen und weiten Empfangssälen des Hauptgebäudes fügte man vor kurzem Fragmente
der Wandmalereien aus dem XVIII. Jahrhundert in die Wände, die bei den
Restaurationsarbeiten aus der Vorhalle entfernt wurden. Ein großer Teil dieser Fresken ist in
einem Pavillon mit offenem Altar an der Ostseite des Klosterhofs zu sehen. Von dem ganzen
Schatz an Kulturgegenständen aus vergoldetem Silber, an Handschriften und Stickereien,
der als überaus reich bezeichnet wurde, ist sehr wenig im Kloster verblieben. Die Inventare
des Klosters aus dem XVII. Jahrhundert, die sich jetzt in den Bukarester Staatsarchiven
befinden, vermitteln uns eine genaue Vorstellung davon, wie reich Tismana damals war. Vor
allem gab es dort sehr viel Kirchengerät, wie auch profane Gegenstände aus vergoldetem
Silber, lauter Weihegaben, von Nicodim, dem Stifter, bis zu Constantin Brâncoveanu. Mehr
als vierzig dieser Gegenstände befinden sich heute in der Sammlung des Kunstmuseums
der Sozialistischen Republik Rumänien.
Wer also Tismana mit allem, was es einmal besaß, gründlich kennen lernen will, darf nicht
vergessen, die Besichtigung des Bauwerks durch einen Besuch im Erdgeschoß des
Bukarester Kunstmuseums zu ergänzen, wo Silberzeug und Stickereien des Klosters
ausgestellt sind. Der Besucher wird dort kostbare Pokale in Form von Weintrauben sehen,
ähnlich den Vasen, die die Prunkgemächer in den Renaissancepalästen am Ausgang des
XV. und im XVI. Jahrhundert schmückten. Einige davon stammen aus den Werkstätten der
berühmten Nürnberger Silberschmiede, andere wurden wahrscheinlich von sächsischen
Meistern in Braşov (Kronstadt) und Sibiu (Hermannstadt) gefertigt, von denen uns Celestin
aus Sibiu, der Goldschmied Neagoe Basarabs, bekannt ist. Aus dem XVI. und XVII.
Jahrhundert erhielten sich ebenfalls in Tismana Schalen, Kelche und Pokale Augsburger
Arbeit, in deren Dekor mythologische und Jagdszenen den meisten Raum einnehmen. Es ist
sehr leicht möglich, dass sich hier wie in anderen Klöstern der Moldau und der Walachei
auch ein Haus oder Schloss des Landesherrn befand, das der Fürst und seine Familie samt
Gästen hin und wieder besuchten, was die große Anzahl profaner (alltäglicher) Objekte
erklären würde. So wissen wir zum Beispiel, dass die politisch sehr bedeutsame Begegnung
zwischen dem Fürsten der Walachei Mircea dem Alten und König Sigismund von Ungarn in
Tismana stattfand.
Von den Gegenständen, die an Nicodims Werke erinnern, haben sich im Kloster zwei
Stickereien in byzantinischem Stil, Gold- und Silberfäden auf blauer Seide, erhalten. Die in
eines dieser Stücke eingestickten griechischen Initialen sind jedoch nicht seine, sondern die
des Erzbischofs Anthimios, der Ende des XIV. Jahrhunderts Metropolit von Severin wurde.
Wie viele andere hohe Geistliche des Mittelalters war Nicodim nicht nur ein großer Gelehrter,
sondern auch ein ausgezeichneter Kalligraph. Eine autographe Handschrift, das Frontispiz
mit Rankenwerk und Vögeln geschmückt, legt Zeugnis ab von seiner Meisterschaft auf
diesem Gebiet. Dieses alte rumänische Miniaturenwerk, das ebenfalls aus dem Kloster
Tismana stammt, befindet sich heute im Museum für Geschichte der Sozialistischen
Republik Rumänien. Bilder aus Nicodims Lebensgeschichte wurden mit großer Sorgfalt in
den Reliquienschrein eingegraben, der einst die Hand des Heiligen umschloss. Dabei
handelt es sich um eine wertvolle Silberschmiedearbeit aus dem Jahre 1671, auf der auch zu
sehen war, wie Tismana der Legende nach aus einem einzigen Eibenbaum gezimmert
wurde. Das einzige Bildnis Nicodims, das wir besitzen, befindet sich auf dem Deckel des
Reliquienschreins.
Tismana mit den wenigen Hinterlassenschaften, die es noch bewahrt – und die durch seine
zahlreichen Silberzierraten, Miniaturen und Stickereien in den beiden Bukarester Museen
ergänzt werden –, ist ein Baudenkmal geblieben, das in eindrucksvoller Weise Zeugnis
ablegt von der Blüte der Kultur, die in der Walachei während der zweiten Hälfte des XIV.
Jahrhunderts erreicht worden war.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 74, S. 194 – 200)
Seite | Bildunterschrift |
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196 | Gesamtansicht des Klosters Tismana, nach einer zwischen 1728 und 1731 entstandnen Zeichnung von Ing. J. Weiss. |
197 | Typische Holzarchitektur in den Vorbergen der Südkarpaten im Norden Olteniens. |
198 | Zwischen Berge und Wälder gebettet: das Kloster Tismana. |
199 | Randleisten aus dem von Nicodim 1404 – 1405 geschriebenen und illustrierten Tetraevangeliar von Tismana. Heute im Kunstmuseum der SR Rumänien. |