home - Komm mit - 1974 - Lockende Finsternis – Hauch der Unendlichkeit
jedes Wort alle Wörter Suchwort markieren
drucken

Lockende Finsternis – Hauch der Unendlichkeit

Was macht den Reiz der Höhlen aus?

von Lia Gross

Höhlen haftet im Allgemeinen – wahrscheinlich der Dunkelheit wegen, die da herrscht – etwas Geheimnisvolles an. Beim Durchwandern stößt man zudem auf Schritt und Tritt auf Überraschungen. Daher ist eine Höhlenwanderung immer aufregend und interessant, selbst wenn man als Durchschnittstourist bei weitem nicht die schönsten und formenreichsten Abschnitte der Höhlen zu sehen bekommt.
In der Tat: Was macht den Reiz der Höhlen aus? Es ist ein Blick in die schaurig-schöne Unterwelt, in der scheinbar – aber nur scheinbar! – nichts geschieht, in der alles so ist, wie es seit eh und je war und immerdar bleiben wird. Man meint buchstäblich den Hauch der Unendlichkeit zu spüren. Und dennoch – auch hier steht die Zeit nicht still. Allerdings muss sie mit anderen Maßstäben gemessen werden; auf dem Zifferblatt der Höhlenuhr macht ein Menschenleben noch keine Sekunde aus.
Steter Tropfen höhlt den Stein – das wäre ganz kurz gefasst eine Erklärung für die Entstehung der Höhlen. Denn Höhlen sind das Werk des Wassers. Aber welch ein Werk! Welche Ausmaße, welche Vielfalt der Formen! So wie das Wasser auswäscht, so baut es nämlich auch auf. Ja, der Wassertropfen ist der größte Künstler. Die Wunderwerke der Finsternis beweisen es. In Eishöhlen sind es Eisgebilde: Stalaktiten, Stalagmiten, Säulen, verschieden geformte Eisblöcke. In den Tropfsteinhöhlen ist der Formenreichtum unendlich größer. Keine Säule gleicht der anderen, Stalaktiten und Stalagmiten von den kleinsten und dünnsten bis zu Riesenzapfen. Andere Sinterbildungen, wie Draperien (die durch den Zauber ihrer Falten entzücken), Höhlenperlen (die gewöhnlich ganze Nester bilden), Klusteriten (von Perlen bedeckte Tropfsteine), Heliktiten (exzentrische Konkretionen), Kristallikiten (kristallförmige Gebilde), sind ebenfalls in tausendfachen Formen vertreten. Man kann nur schauen und staunen.
unterirdische Wasserläufe, stehende Gewässer, deren Oberfläche so ruhig und deren Wasser so klar ist, dass man erst wenn man hinein tritt, an den nassen Füßen merkt, was los ist, rauschende Kaskaden, enge oder niedere Durchgänge, Riesensäle, zahlreiche Nebengrotten, Verästelungen, Galerien, Terrassen... o ja, eine Höhlenwanderung bietet auf Schritt und Tritt Überraschungen. Und selbst wenn man nur einen geringen Teil von all dem, was den Reiz der Höhlen ausmacht, zu sehen bekommt, hat sich so eine Reise in die Unterwelt gelohnt.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 74, S. 259 – 263)

Seite Bildunterschrift
 
259-1 Pojarul-Poliţei-Höhle: Efflorationstunnel
260-2 Pojarul-Poliţei-Höhle: Geperlte Stalagmiten
261-3 Scărişoara-Höhle: In der Eishöhle
262-4 Scărişoara-Höhle: Durchsichtigkeit
262-5 Scărişoara-Höhle: Höhlenperlennest
263-6 Pojarul-Poliţei-Höhle: Der Zauber der Unterirdischen Welt
263-7 Komarnik-Höhle: Tropfsteingebilde
nach oben nach oben