von Walter Kargel
Die schwierigsten Kletteranstiege der rumänischen Karpaten befinden sich – mit Ausnahme
der Hoffnungsführe (Bucegi) – im Bicaz-Gebiet, mitten im Herzen der Ostkarpaten.
Hier hat das vom Lacu Roşu (Mörder-See) abfließende Wildwasser des Bicaz-Baches eine
sechs Kilometer lange, über 300 Meter tiefe Klamm in den Kalkstein des Hăghimaş-Gebirges
eingeschnitten. Rund 40 Anstiege führen durch die Wände.
Die nächsten Eisenbahnstellen sind Gheorghieni auf der Strecke Braşov – Baia Mare im Westen und Bicaz, Endstation der Strecke Bukarest – Piatra Neamţ – Bicaz im Osten. Die Straße Nr. 12 C (Asphalt, 57 km), welche Gheorghieni (km 0) mit Bicaz verbindet, führt durch die Klamm. Auf ihr verkehren Busse zum Luftkurort Lacu Roşu (km 26) und zur Schutzhütte Cheile Bicazului (km 29).
Lacu Roşu ist ein koketter Luftkurort am Ufer des gleichnamigen Sees. Chalets, Restaurants, Café, Konditorei, Lebensmittelläden usw. Rund 1000 m hoch, zu Füßen des Kleinen Suhard (1352 m) Ghilcoş (1384 m) und weiterer Nadelwald bewachsener Berge. Cabana Turiştilor (985 m), Schutzhütte in Lacu Roşu, 124 Betten, Kantine. Cabana Suhard (1107 m), Schutzhütte am Kleinen Suhard, 80 Betten, Kantine. Cabana Cheile Bicazului (860 m), Schutzhütte in der Bicazklamm an der Straße (km 29) zu Füßen des Altarsteins, 117 Betten, Kantine. Camping (985 m) am Ufer des Lacu Roşu.
Felsklettern mit künstlichen Hilfsmitteln wird in Rumänien seit etwa 1930 praktiziert. Die
ersten mit Hakensicherung bewältigten Anstiege befinden sich im Bucegi-Gebirge (Picătura,
Turnul Seciului). Die auffälligste Felsgestalt der Bicaz-Klamm ist der Altarstein, ein isoliert
stehender Turm, und ihm galt der erste Angriff der Bergsteiger. Nach einigen erfolglosen
Versuchen wurde der Turm am 8. Juli 1935 von Erwin Csallner und Waldemar Goldschmidt
bestiegen. Auf den Gipfel gelangte nur Csallner, der die letzte Seillänge, von Goldschmidt
gesichert, erstieg.
Es dauerte 13 Jahre, bis sich Bergsteiger an ein neues Problem heranwagten. Puiu Petriu
versuchte 1948 mit seiner Braut einen neuen Aufstieg auf den Altarstein. Er stürzte ab, das
alte, morsche Seil der Nachkriegsjahre riss am Haken. Das Mädchen verbrachte eine Nacht
allein im Fels und stieg am Morgen unbeschädigt ab. Petrius Anstieg wurde erst 1951 von
Emil Fomino, Josetta Petrov und Marcian Bleahu zu Ende geführt. Die Zeit von 1954 bis
1966 war die bergsteigerisch erfolgreichste. Rund 40 neue Anstiege wurden durchgeführt,
darunter mehrere Sechser. Namen wie Gheorghe Udrea, Alexandru Floricioiu, Aurel Irimia,
Gheorghe Enache, Dumitru Chivu sind mit den Bicaz-Felsen verbunden.
„Hăghimaşul şi Lacu Roşu“ Touristenführer von Emilian Cristea, Bukarest, Editura UCFS 1965 (nur in rumänischer Sprache, zurzeit vergriffen), dem die meisten Informationen des vorliegenden Artikels entnommen sind.
Die Kletterwege des Bicazgebietes sind in folgenden Wänden verteilt:
(Links der Bicaz-Klamm, N) Kleiner Suhard – Südwand, Altarstein (Turnul Bardosului),
Poliţele-Bardosului-Wand.
(Rechts der Bicaz-Klamm, S) Făgetul-Ciucului-Wände (Süd- und Nordwestwand), Piatra
Poienii – Nordostwand, Piatra-Surducului-Wände (West-, Nordwest- und Nordwand).
Die Wand überragt den Mördersee und beherrscht das Landschaftsbild von Lacu Roşu. 11
Anstiege der mittleren Schwierigkeitsgrade (II – IV) führen durch die Wand.
Der Zustieg erfolgt von Lacu Roşu über die Suhard-Hütte und Suhard-Wiese, auf dem mit
blauem Dreieck bezeichneten Pfad.
Die Wand misst 1 km Länge und 80 m Höhe und erstreckt sich von der Ostkante „Creasta
Ascuţită“ bis zum Suhard-Sattel im Westen. Der erste Anstieg im Osten ist die Ostkante (III),
eine wegen dem grasdurchsetzten Fels wenig beliebte Führe. Wo der markierte Pfad die
Wiese erreicht, wenden wir uns nach rechts hinauf über das Geröll zum Wandfuß. Der erste
Anstieg hier im Ostteil der Wand führt durch einen Riss empor. Es ist die Enzian-Führe
(Genţiana, IV+). Wir folgen nun einem Pfad, der sich die Wand entlang schlängelt. 40 m von
der Enzian-Führe erreichen wir den Einstieg zum Mittleren Riss (Fisura Centrală, - IV).
Die nächsten drei Anstiege weiter gegen Westen haben als gemeinsamen Anfang einen tief
eingeschnittenen Kamineinstieg. Es handelt sich dabei um den Roten Kamin (Hornul Roşu,
III+), die Kante des Roten Kamins (Creasta Hornului Roşu, III+) und die Große Wand des
Roten Kamins (Faţa Mare a Hornului Roşu, gleichfalls III+). Unweit davon ist der Einstieg zur
Schönen Kante (Creasta Frumoasă, III+). 80 m weiter westlich bezeichnet ein tiefer
Einschnitt, mit einem Geröllkegel, den Einstieg zur Wacholderkante (Creasta Ienuperilor,
III+). Weitere 100 m führen uns in ein Amphitheater, zum Einstieg des Suhard-Sporns
(Pintenul Suhardului, -IV), der mit einem überhängenden Riss beginnt. In einem zweiten
Amphitheater erkennen wir den Einstieg zur Spaltenführe (Traseul Spintecăturii, -IV, auch
Roter Riss genannt wegen der Farbe des Gesteins). Links davon führt der westlichste
Anstieg empor: die Verschneidung der Falkenhorste (Diedrul Cuiburilor de Soim, IV+), deren
erste Seillänge 20 m hoch zu einer Fichte führt.
Vier Anstiege führen heute auf den Altarstein, der als 300 m hoher Felskoloss die Bicaz-
Klamm als deren Wahrzeichen beherrscht. Der Zustieg erfolgt ab Cheile-Bicazului-Hütte (km
29). Der klassische Anstieg (Traseul clasic, - IV, von Csallner) führt durch die Nordostwand.
Die Ostkante (Creasta Estică, IV+) wird von Nordost- und Südwestwand gebildet. Durch die
Südwestwand führt der Petriu-Weg (Traseul Petriu, IV+). Als neuester Anstieg kam die
Gebirgsjägerkante hinzu (Muchia Vânătorilor de Munte, IV+).
Rund 2 km unterhalb der Cheile-Bicazului-Hütte steigt links, unmittelbar von der Straße die
senkrechte Wand empor, durch welche die schwierigsten Kletteranstiege der Bicaz-Klamm
führen. Die erste Führe (von links nach rechts gerechnet) ist die 7. November-Führe (-IV),
deren Einstieg (km 30 + 400) von einer Verschneidung gekennzeichnet ist. Etwas tiefer, in
der Nähe der Straßenbrücke über den Bicaz-Bach, befinden sich die Einstiege der Führen
Große Wand (Faţa Mare, V+) und Großer Kamin (Hornul Mare, V+).
Direkt über der Straßenkurve an der Mündung des Bicăjel-Baches in den Bicaz
(Höllenschlund) erhebt sich eine von mächtigen, übereinander aufgestellten Dächern
gekennzeichnete Kante; durch die Wand unmittelbar links der Kante führt der Anstieg der
Schildwache vom Höllenschlund empor (Sentinela de la Gâtul Iadului, von Gh. Enache, -VI).
Direkt über die Kante führt der Armata-Anstieg von Dumitru Chivu, 1966 (VI+). Nicht weit
rechts davon, wo ein 75 m hoher Dachüberhang die Straße überschattet, schlug Gheorghe
Enache 1963 die ersten Haken des Überhanges vom Höllentor (Surplomba de la Gâtul
Iadului, -VI). Weiter östlich (km 31 + 200) gibt es noch einen Aufstieg mittlerer Schwierigkeit:
die Anfängerführe (Traseul Începătorului, -III).
Die Wand befindet sich oberhalb des Postamtes Lacu Roşu. Ein Pfad führt vom Postamt (an der Straße) zum Einstieg der Mädchenführe (Traseul Fetelor, -III) im mittleren Wandteil.
Der Fensterkamin (Hornul cu Fereastră, II+) steigt direkt von der Straße (km 27 + 600) durch die Wand.
Der schwarze Turm (Turnu Negru) ragt direkt von der Straße (km 30 + 500) gegenüber der Poliţele-Bardosului-Wand auf. Zwei Anstiege führen durch die Wand: der Schwarze Riss (Fisura Neagră, V+), dessen Einstieg von einem Kreuz gekennzeichnet ist, und der Höhlenriss (Fisura Grotelor, IV+), links davon.
Die Westwand, auch Kleiner-Turm-Wand (Peretele Turnuleţului) genannt, ragt über dem Bicăjelbach auf. Der Westwandriss (Fisura Turnuleţului, -IV) beginnt 200 m von der Bicăjelmündung Tal einwärts. Die Westwandquerung (Traversarea Peretelui Turnuleţului, - VI) beginnt mit einem Kamin, direkt von der Straße (km 30 + 950).
Die Nordwestwand ist meist unter dem Namen Sporenwand (Peretele Pintenilor) bekannt
und ragt unmittelbar von der Straße bzw. vom Bicaz-Bach auf. Folgende Anstiege führen
durch die Wand:
- Sporenführe (Traseul Pintenilor, -IV) km 31 + 160
- Elfenbeinturm (Turnul de Fildeş, V+) km 31 + 100
- Der durchkreuzte Anstieg des Elfenbeinturms (Traseul Intersectat din Turnul de
Fildeş, -VI)
- Mittlere Führe (Traseul Central, V+)
- Berglilienkamin (Hornul Crinului de Munte, -VI)
Die Nordwand steht quer zur Bicaz-Straße etwa bei km 31 +300. Eine steile Rinne führt am
Wandfuß hoch zum Einstieg des markanten Kamins, der dem Massiv den Namen verlieh
(Surduc = Kamin). Es ist dies eine der schwierigsten und beliebtesten Führen des Bicaz-
Gebietes: Riss der Kunst (Fisura Artei, VI+). Der untere Teil der Führe folgt der linken Seite
eines Bogens, der an ein riesiges gotisches Portal erinnert. Im oberen Teil verzweigt sich der
Riss. Die Originalführe von Alexandru Floricioiu steigt den linken Riss empor. Die Variante
rechts führt den Namen Fisura Surducului Mare und wurde von Aurel Irimia durchstiegen.
Vom Einstieg des Kunstrisses führt ein Band rechts durch die Wand zum Einstieg des Risses
der Birkenscharte (Fisura Strungii cu Mesteacăn, V+). Noch weiter rechts befindet sich der
Sporn des Cătălin (Pintenul lui Cătălin, V+).
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 74, S. 242 – 246)
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243 | Die Bicaz-Klamm. Schildwache am Höllenschlund. Klettern mit künstlichen Hilfsmitteln – Seile, Haken, Trittleitern |
245 | Kartenskizze: Cheile Bicazului |
246 | Stärkung vor der Kletterpartie. |