von Georg Hromadka
Wer das Hatzeger Land (die „Ţara Haţegului“) kennt, weiß: Hier ist altes Kulturland. Davon
zeugen nicht nur stattliche Ruinen der Römerkolonie Ulpia Traiana (das „römische
Sarmizegethusa“). Das beweisen auch die vielen, über die ganze „Ţară“ verstreuten alten
Kirchen mit ihrer Architektur und ihren Wandmalereien.
Im Hatzeger Land, in Densuş, steht die älteste rumänische Kirche. Diese Kirche gehört
zugleich zu den architektonisch merkwürdigsten Kulturdenkmälern unseres Landes. Auch
wegen ihrer Wandmalereien ist sie weltberühmt.
Densuş, der Namensort des hervorragenden Philologen (Literatur- und
Sprachwissenschaftler), Literaturhistorikers und Schriftstellers Ovid Densuşianu, liegt unweit
von Sarmizegethusa (das frühere Grădişte trägt seit den zwanziger Jahren den Namen der
ehemaligen Dazierhauptstadt). Von Sarmizegethusa in Richtung Hatzeg fahrend biegt man
bei Toteşti links ab. Nach 6 Kilometern ist man in der Gemeinde und steht auf einer Anhöhe
vor dem berühmten Denkmal.
Was zuerst ins Auge fällt, ist das Material. Mächtige, rechteckig geschnittene Steine sind vor
der Kirche zyklopisch aufgebaut – Granit. Aus den Mauern leuchtet es da und dort weiß
heraus – Marmor. Eine Marmorsäule lehnt anscheinend zwecklos an einer Ecke des
Gebäudes. Diese Blöcke, diese Quadern, diese Säulen und Kapitelle kommen dem
Besucher bekannt vor. Sie scheinen mit dem verwandt zu sein, was in Sarmizegethusa an
Bauresten noch zu sehen ist: im Museum, im Amphitheater, auf dem Forum, im
Augustahlenpalast.
So ist es: Das Material stammt fast zur Gänze aus dem nahen Sarmizegethusa. Vor
siebeneinhalb Jahrhunderten (nach neueren Vermutungen schon viel früher) brachten es die
Bauern herüber, um sich eine Kirche zu bauen. Der andere „Materiallieferant“ war
möglicherweise der Retezat. Es könnte sein, dass man die vom Wasser rund geschliffenen
Steine nicht aus dem nahen Bach, sondern aus einem trockenen Arm des Râu Mare hob,
um sie dort einzusetzen, wo sich der von den Römern „hinterlassene“ Baustoff nicht mehr
fügen wollte.
Linie und Form der Kirche von Densuş sind vorwiegend vom Material bestimmt worden. Aber
was für ein Stil? Ist er frühchristlich? Ist er romanisch? Wandelt er sich in der Turmspitze zur
Gotik? Wie immer: Das Bauwerk wirkt auf den Besucher. Trotz seiner Unausgeglichenheit.
Die Wandmalereien machen die Kirche von Densuş noch interessanter. Im Jahre 1443
arbeitete hier (das ist dokumentarisch bewiesen) ein siebenbürgischer Kirchenmaler mit dem
Namen Ştefan. Man weiß wenig über ihn. Nur sein Stil verrät, dass er Beziehungen zu den
rumänischen Malschulen südlich und östlich der Karpaten gehabt hat. Man hat festgestellt,
dass seine Bilder (unter denen ein „Sfânt doctor fără arginţi“ – „heiliger Arzt ohne Geld“
herausragt) den Fresken von Dolheştii Mari im Kreis Suceava und Sf. Nicolea in Curtea de
Argeş ähneln.
In der Kirche von Ostrovu Mare (bei Cârneşti, an der Asphaltstraße, die nach Gura Zlata
führt) ist eine Madonna mit dem Kind zu sehen, ein Gemälde von hoher Ausdruckskraft. Man
weist es dem Meister von Densuş zu.
Neben Meister Ştefan tritt in Densuş noch ein zweiter Maler in Erscheinung: Popa Simion
von Piteşti, der 1789 hier tätig war. Trotz dem Abstand von zwei Jahrhunderten wirken die
Bilder Popa Simions naiv, vergleicht man sie mit der differenzierten Kunst Ştefans von
Densuş.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 74, S. 212 – 213)
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213 | Seltsames Materialgemisch, aber doch eindrucksvoll: die Kirche von Densuş. |