Zehn Jahre seit der Erforschung der Topolniţa-Höhle
von Friedrich Thomas
Man hört meist nicht viel von der Tätigkeit der Höhlenforscher. Außergewöhnliche
Entdeckungen unter der Erde sind selten. In den Jahren 1961-62 brachten jedoch die
Zeitungen des Öfteren aufsehenerregende Berichte über die Entdeckung einer Großhöhle
auf der Mehedinţi-Hochfläche. Drei verdienstvolle Forscher: Vasile Decu, Anca Bălăcescu
und Marcian Bleahu hatten sich die Erforschung des kahlen Prosăc-Rückens, eines noch
wenig bekannten Karstgebietes, ungefähr 30 km nördlich von Drobeta Turnu-Severin zum
Ziel gesetzt. Damit begann ein Höhlenlabyrinth für unsere damaligen Begriffe ungeahnten
Ausmaßes, das der Topolniţa, seine Geheimnisse preiszugeben.
Die Eingänge der Höhle sind schon seit Jahrhunderten bekannt und bilden jeder Höhlen für
sich. Die wichtigste und zugleich großartigste Pforte „Poarta Prosăcului“ (unser Bild), ein
etwa 40 Meter hohes Steintor, durch das die Topolniţa ihren unterirdischen Lauf antritt,
erinnert an die bekannten „Cetăţile Ponorului“ des Westgebirges. Ein dreiviertel Kilometer
langer Riesengang führt von hier zu einem Felsportal ähnlicher Ausmaße, „Gaura lui
Ciocârlie“ genannt, durch das die unterirdischen Wasser den Berg endgültig verlassen.
Unweit des Prosăc-Tores liegt in der Felswand der unscheinbare Eingang der Frauenhöhle
(„Peştera Femeii“, nicht zu verwechseln mit der „Peştera Muierii“ bei Baia de Fier), in der die
Frauen aus der Umgebung bei Gefahr früher Schutz gesucht haben sollen. Ein tiefer
Einsturz im rückwärtigen Teil der Höhle verwehrt einem jedoch das weitere Vordringen. Auch
andere Höhleneingänge, z.B. die der „Peştera Sohodolului“ und der „Epuran-Höhle“ waren
schon früher bekannt. Sie sind das Werk von Nebenflüssen der Topolniţa.
Im Oktober 1961, beim ersten großangelegten Vorstoß, folgen die Forscher durch das
Prosăc-Tor zunächst dem Weg der unterirdischen Topolniţa, dringen aber dann in einen
rechts einmündenden Seitengang. Nach stundenlanger Erkundung stehen sie schließlich an
einem Abgrund. Da sämtliches Kletterwerkzeug zurückgelassen wurde, muss Decu, der sich
zu einer Alleinerkundung entschließt, das letzte Stück der Steilstufe ungesichert
hinabklettern. Das lange Ausbleiben des Gefährten beunruhigt die Zurückgebliebenen nicht
wenig, lässt sie aber auch ahnen, welch wichtige Entdeckung ihrer harrt. Decu hatte die
ersten Schritte in einen der mächtigsten Höhlengänge der Erde getan.
Wieder vereint geht die Gruppe im Entdeckungsfieber an die Erforschung eines leichter
zugänglichen Höhlenteils. Zwei riesige Räume. Großer Saal und Guanosaal, deren Boden
von einem Gewirr oft zimmergroßer Felsbrocken bedeckt wird, werden zum ersten Mal vom
zuckenden Schein der Azetylenflämmchen durchdrungen. Nach kurzem Aufenthalt geht es in
einen winddurchbrausten Stollen, in dem sämtlicher Tropfsteinschmuck dem Luftzug zum
Opfer gefallen ist. Zwei vorgeschichtliche Feuerstellen mit Aschenresten und angekohltem
Holz (heute ist leider alles zerstört) lassen die Forscher einen Augenblick innehalten. Bald
stehen die drei abermals vor einem Abgrund. Selten haben Menschen gleichzeitig soviel
Freude und Ärgernis verspürt wie unsere Forscher in jenem Augenblick; Freude, weil sie
jenseits des Abgrundes die bekannten Gänge der Frauenhöhle erkennen – die Verbindung
ist also hergestellt –, und Ärgernis, weil sie kein Seil haben. Nach Überwindung des
klaffenden Einsturzes wären sie in zehn Minuten draußen, so aber müssen sie den
stundenlangen beschwerlichen Rückweg durchs Bergesinnere antreten.
Beim zweiten Großangriff, im Frühjahr 1962, ist die Frauenhöhle Ausgangspunkt der
Forschungen. Mit Hilfe von Mauerhaken und Seil wird der Schlund überwunden. Im Eilschritt
geht es weiter zum unbekannten Riesengang. Über die Steilstufe wird abgeseilt. Der
langersehnte Vorstoß in weiteres unterirdisches Neuland beginnt. Er ist kein Spaziergang.
Immer wieder schieben sich den Eindringlingen haushohe Trümmerhalden in den Weg und
müssen überklettert werden, Trugsande rauben dem Tritt jede Sicherheit. Aber die
Anstrengung lohnt sich. Nach jedem Hindernis tut sich den Forschern ein
Tropfsteinwunderland auf, Sinterfahnen aller Größen, schlanke Kerzenstalagmiten, oft ganze
Wälder bildend, smaragdgrüne Wasserbecken milchigweiße Sinterkaskaden sind die
Kostbarkeiten dieser unbetretenen nächtlichen Gefilde. Drei Stunden währt die
Durchwanderung des 1600 Meter messenden Riesenganges, der den Namen unseres
berühmten Wissenschaftlers „Emil Racoviţă“ erhält.
Im Oktober 1962 untersuchen die Forscher das Labyrinth der Sohodol-Höhlen und gliedern
es – nach Auffindung des Verbindungsweges – dem Haupthöhlensystem an. Mit Hilfe von
Schlauchbooten wird außerdem das aktive Stockwerk der Haupthöhle befahren und
vermessen, dessen wichtigster Gang nach dem verdienten rumänischen Geologen
„Gheorghe Munteanu-Murgoci“ benannt wird.
Mit diesen Entdeckungen gelangt die Erforschung des Topolniţa-Höhlensystems zu einem
vorläufigen Abschluss. Es ist mit 10.700 Meter Gesamtlänge eines der größten
Höhlenlabyrinthe unseres Landes.
In der Folgezeit ist es den drei wackeren Höhlenpionieren leider nicht mehr vergönnt, sich zu
gemeinsamen Vorstößen in unterirdisches Neuland zu treffen. Ihre Forschungsergebnisse
erscheinen 1964 als letzte Gemeinschaftsarbeit unter der Überschrift „Peştera Topolniţa“ in
der Zeitschrift „Ocrotirea Naturii“.
Die Gesamtlänge des Höhlensystems beträgt heute schätzungsweise 13 Kilometer und steht
hinter den 18 Kilometern der „Windhöhle“ aus dem Westgebirge weit zurück. Einen
bescheidenen Beitrag haben auch wir dazu geliefert. Im Herbst 1965 gelang uns in der
Epuran-Höhle die Entdeckung eines 1200 Meter langen unbekannten Systems unterirdischer
Gänge und Räume und im Frühjahr 1972 fanden wir in der Nähe zwei weitere Höhlen.
Ion Povară, ein erfolgreicher Höhlenforscher der jungen Generation, und seine Mitarbeiter
widmen sich seit einigen Jahren ebenfalls der Erforschung des Topolniţa-Labyrinths. In
mühsamer Kleinarbeit führen sie gegenwärtig auch eine genaue Theodolitvermessung
(Horizontal- und Vertikalwinkelmessung) der wichtigsten unterirdischen Hohlstrecken durch.
Diese Aufstellung soll zugleich die Grundlage für den späteren Ausbau als Schauhöhle
bilden.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 73, S. 59 – 61)
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60 | Blick aus dem 40 Meter hohen „Prosăc-Portal“. |