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Neue Passstraße

Bistritz – Vatra Dornei

Ideale Verbindung zu den Klöstern der Nordmoldau

von Ernst Zehschnetzler

Seit Ende Dezember 1972 gibt es im Norden Rumäniens eine Passstraße mehr. Nach dreijähriger Arbeit wurde die Modernisierung der Strecke Bistritz – Vatra Dornei abgeschlossen und damit für die motorisierten Touristen eine geradezu ideale Verbindung zu den Klöstern der Nordmoldau geschaffen. Wer über Oradea und Cluj einreist – und die meisten Autotouristen tun das –, braucht nun nicht mehr den großen Umweg über die Bicaz- Klamm oder gar den Ghimes-Pass zu machen und dann noch die halbe Moldau hinaufzufahren; er kann nun gleich bei Cluj abbiegen und auf einer ausgezeichneten Betonpiste über Dej, Bistritz und Vatra Dornei direkt in die Bukowina gelangen und spart damit mindestens seine 200 km...
Die neue Passstraße bietet nicht nur landschaftlich manches (der Ausblick auf die Rodnaer Berge mit dem 2241 m hohen Kuhhorn [Ineu] ist eine wahre Augenweide) – man findet hier auch sonst noch viel Interessantes. Abgesehen vom mittelalterlichen Bistritz, das sich jetzt auf seine große Vergangenheit besinnt und fleißig restauriert, und dem berühmten Badeort Vatra Dornei sollte man auf der Durchfahrt noch mindestens drei kleine Pausen einlegen. Die erste in einem der sieben Borgo-Dörfer, die sich etwa 15 km oberhalb von Bistritz wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreihen und von denen der Pass seinen Namen her hat. Diese Dörfer, einst Leibeigenendörfer des Grafen Bethlen und später (1785) von Joseph II. freigestellt und als Grenzschutz militarisiert, bewahren noch unverdorben viele alte Traditionen. Hier gibt es schönste Keramik und älteste Hinterglasmalerei.
Eine einzigartige Sehenswürdigkeit an dieser Passstraße ist ein Baum. Er steht oberhalb des Bergdorfes Tihuţa (1227 m über dem Meeresspiegel) und wird von den Einheimischen „Königstanne“ genannt. Dabei handelt es sich um keine Tanne, sondern um eine Fichte, und zwar um eine sogenannte „Kandelaberfichte“, wie es auf der ganzen Welt kein zweites Exemplar gibt (?). Sie ist, zum Unterschied von den typischen Fichtenformen, fast eirund, und selbst die Nadeln unterscheiden sich von denen normaler Fichten durch geringere Länge und stärkere Krümmung. Der etwa 100 Jahre alte Baum ist nur wenig höher als 16 Meter. Der Hauptstamm verzweigt sich etwa in Manneshöhe in fünf Nebenstämme, die sich ihrerseits wiederum verzweigen, so dass die Krone faktisch aus acht Spitzen gebildet wird.
Die Äste stehen zuerst waagerecht ab, um sich dann von der Mitte an wie die Arme eines Kandelabers nach aufwärts zu krümmen. Die Ursachen dieser Anomalie scheinen virotischer oder bakterieller Natur zu sein. Tatsache ist, dass in der ganzen Welt kein anderer derartiger Baum bekannt ist (Laastadt und Gontal am Katschberg beide Österreich). Die Fichte steht selbstverständlich (seit Anfang der sechziger Jahre) unter Naturschutz, doch da immer mehr Schaulustige herbeiströmen, haben die lokalen Behörden den Baum zwar eingezäunt, gleichzeitig aber auch einen Parkplatz mit Raststätte eingerichtet, so dass man dieses Naturwunder aus nächster Nähe und in Ruhe bestaunen kann.
Auf der anderen Seite, kurz vor Vatra Dornei, gibt es dann die größten und höchsten Torffelder Rumäniens. Bei Poiana Stampei hat eines dieser 910 Meter über dem Meeresboden liegenden Torffelder die eindrucksvolle Größe von 612 Hektar. Man kann vom Weg aus sehen, wie stellenweise noch Torf gestochen wird, doch wird es weniger für Heizwecke als vielmehr für Heilzwecke im nahen Câmpulung verwendet. Die Dichte der Torfdecke liegt hier zwischen 2 und 4 Metern. An vielen Stellen sprudelt herrliches Mineralwasser aus Quellen am Wegesrand.
Wer also die Wahl hat, der wähle einmal diesen Weg.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 73, S. 147 – 148)

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