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Narzissenwiese – so oder anders?

Einige Erlebnisse und sechs Vorschläge eines Blumenwächters

von Wilhelm Gunesch

Im Mai 1969 wurde die Narzissenwiese bei Perşani von Tausenden Menschen gestürmt. In einer breiten und tief gestaffelten Schwarmlinie drangen diese „Narzissenliebhaber“ immer weiter und tiefer in den schönen Narzissenhain vor. Vor ihnen war noch alles weiß und voller Narzissen, aber hinter ihnen stand keine Blume mehr, zertrampelt war die Erde von den vielen Tausenden Füßen. Nicht einmal die Heuschrecken hätten ärger hausen können. Um zwei Uhr mittags gelangten die ersten Vorboten an das eingezäunte Gebiet der Naturschutzreservation. Hier befand sich eine Anzahl von Wachposten, um das weitere Vordringen aufzufangen. Ein kurzes Zaudern, einige erregte Zurufe von beiden Seiten, und schon wurde der Zaun von einigen Angriffslustigen gestürmt, durchbrochen und niedergetrampelt. Und nun ergoss sich die Menge unaufhaltbar in die Reservation. Jede Art von Protest von Seiten der Bewacher war sinnlos, die Menschen hatte ein Rausch erfasst, der jede Vernunft ausschloss. Sie hatten die Arme schon voller Narzissen, aber sie hatten noch immer nicht genug. Unter den Tausenden gab es leider nur einige wenige, die zur Vernunft kamen und beschämt den Rückzug antraten.

Einige dieser Naturfreunde erdreisteten sich sogar, mit ihrer Beute auf den Markt der Stadt zu kommen, wo sie ihr Hauptabsatzgebiet hatten. Hier gingen sie aber in die Falle. An einem Freitag, als unterhalb der Zinne der große Wochenmarkt stattfand, wurde eine ganze Bande von Blumenräubern gestellt, und siehe, darunter fanden wir die alten Bekannten wieder, die uns schon vormals fest versprochen hatten, nie wieder Narzissenhandel zu treiben. Ganze Säcke voller Narzissen waren unsere Beute, sie ließen alles liegen und trachteten in der Menge zu verschwinden. Das Ergebnis unserer Streife war verblüffend; seither wagte sich keiner mehr mit geschützter Flora auf den Markt; Narzissen aus dem Reservat gibt es nicht mehr zu kaufen. Hier möchte ich noch bemerken, dass die wilden Narzissen später blühen als unsere Gartennarzissen. Der Narzissenhandel und der Verkauf von jeder Art Blumen, die unter Naturschutz stehen, kann also am besten verhindert werden, indem die Marktverwaltung auf dem Verordnungsweg angewiesen wird, drastische Maßnahmen zu treffen. Eine wichtige Schutzmaßnahme war auch die vom Kreisvolksrat Braşov verhängte Sperrung des Gebiets für den Massentourismus.
Was geschieht nun mit der Narzissenwiese, wenn die Zeit ihrer Erholung und Schonung vorbei ist? In diesem Jahr ist auf jeden Fall noch mit der totalen Sperre zu rechnen. Was wird aber im Frühjahr 1973? Soll es wieder auf die alte Weise weitergehen? Eine Frage, die spätestens in diesem Jahr gelöst werden muss! Vorläufig gibt es noch keinen Weg, die meisten Menschen von heute dazu zu bewegen, nur mit den Augen die Natur zu genießen und keine Blumen zu pflücken. Der einzige Erfolg versprechende Weg ist die Aufklärung, die Erziehung der Jugend im Sinne des Naturschutzes und der Erhaltung all dessen, was heute gefährdet ist, ausgerottet zu werden. Massenausflüge und freier Zugang würden nur eine Wiederholung der Ereignisse vom Jahre 1969 bedeuten, und das wäre gleichbedeutend mit einem freien Besuchsjahr und dann wieder drei Jahre totale Sperre. Eine totale und ständige Sperre wäre aber auch sinnlos, weil wir dann zwar eine Narzissenwiese hätten, die aber niemand besichtigen könnte, um sich daran zu erfreuen.
Zur Lösung dieser Frage würde ich folgende Vorschläge und Anregungen machen:

  1. Das ganze Gebiet, Eichenwald und Narzissenwiese einschließlich Reservation, zum Naturpark erklären und gänzlich einzäunen.
  2. Am Ende der Asphaltstraße wäre ein Campingplatz mit Unterkunftsmöglichkeiten, Gaststätte und Parkplätzen zu errichten.
  3. Auf einem Teil des Gebiets müssten kiesbestreute Promenadenwege angelegt werden, die in bestimmten Abständen in rondellförmige Rastplätze einmünden.
  4. Ein besonders markierter Weg führt zur Reservation, hier könnte das schon zurzeit bestehende Forsthaus vergrößert und ein kleines, der Umgebung angepasstes Naturmuseum eingerichtet werden. In der Reservation selbst könnten auch einige Promenaden angelegt werden, jedoch ohne Rastplätze. Hier ließe sich auch das Reh und anderes Wild in freier Wildbahn halten. Eine Besichtigung dieses Gebietes sollte aber nur mit besonderer Bewilligung und hauptsächlich nur für Studienzwecke gestattet werden.
  5. Der neben der Reservation gelegene schöne Birkenwald sollte in das Naturparkgebiet eingeschlossen werden. Hier könnten die traditionellen Volksfeste abgehalten werden, die früher quer über die in Blüte befindliche Wiese abrollten. Auf diese Weise könnten diese Volksfeste zur Zeit der Blüte gefeiert werden, ohne die Narzissen zu gefährden.
  6. An einer entsprechenden Stelle des Eichenwaldes sollte ein geräumiges Touristenhaus gebaut werden. Hier könnten Erholungsbedürftige zur Zeit der Narzissenblüte Ruhe und Erholung finden. Der Fremdenverkehr hat hier große Aussichten. Eine Asphaltstraße von nur 8 km bis zur Autostraße E 15 bietet eine gute Verbindung.
Auf diese Weise wäre es möglich, die Narzissen zu schützen und es trotzdem vielen Bürgern unseres Landes und ausländischen Besuchern zu gestatten, nicht nur die einmalige Schönheit der Narzissenwiese zu betrachten und zu genießen, sondern auch mit dem Eindruck den Heimweg anzutreten, dass hier alles getan wurde, um die Natur zu erhalten.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 72, S. 145 – 147)

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