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Okubee

von Karl Grünn (1855 – 1930, Perjamosch)

Tief im dunkeln, hohen Bergwald,
nur besucht vom scheuen Reh,
blickt aus runder Felsenschale
lieblich hell das Aug’ der Bee.

Kaum bemerklich, leise quillt es
aus dem stillen Grund hervor,
ringsum, wie mit grüner Wimper,
ist’s besäumt mit jungem Rohr.

In der klaren rätselhaften
Tiefe sieht man jeden Stein,
munter spielen dort Forellen,
webt ein grüner Dämmerschein.

Laubig-schlanke Bäume spiegeln
drinnen jedes Blatt genau,
Silberwölkchen ziehen drüber,
lacht das heitre Himmelsblau.

Doch am schönsten lacht Ileana
aus dem lichten Quell heraus:
meines grauen Führers Tochter,
Blumen fügend wie zum Strauß.

Mir genüber sitzt das Mädchen
auf dem moosig-alten Stein,
spricht in Unschuld innig-zärtlich
zu den Schwesterblümelein.

Steinchen schnell’ ich in das Wasser,
und ich jauchze, wenn es klingt
und in schönster tiefer Bläue
lustig in die Höhe springt.

Still mit glänzend-großen Augen
sieht mir zu das schöne Kind.
Bis ihr feines rotes Mündchen
plötzlich traurig-ernst beginnt:

Höre, Fremdling! Schleudre nimmer
Steinchen in das Aug der Bee!
Wirf doch nimmer auf die Arme,
denn du tust damit ihr weh!

Oft erzählt es mir die Mutter,
hier im Tal vor langer Zeit
hab’ gelebt ein armes Mädchen,
schöner keine weit und breit.

Und wo dort auf steilem Felsen
hinterm Wald die Trümmer stehn,
war in jenen fernen Jahren
stolz ein Grafenschloss zu sehn.

Einesmals auf weißem Rosse
pflog des Grafen Sohn der Jagd,
und da traf mit ihrem Kruge
er am Quell die schöne Magd.

Und sie liebten sich so herzlich.
Oft im sanften Mondenschein,
wo wir beide jetzo weilen,
kamen sie zum Stelldichein.

Doch da ward die liebe Heimat
plötzlich von dem Feind bedroht,
und zum Aufruf rings im Lande
ging ein Schwert so blutigrot.

Und des Grafen Sohn, zu schützen
unsre Berg’ vor Feindes Joch,
flog zum Kampfe doch zum Mädchen
mutig scheidend sprach er noch:

Wann die Pflaumengärten duften
In der weißen Blütenpracht,
kommt zurück dein Vielgetreuer,
liebes Mädchen, gute Nacht!

Oft zur Zeit des Schafemelkens
kam sie mit der Spindel her,
dachte da des fernen Liebsten,
und da weinte sie so sehr.

Und die Pflaumengärten blühten,
doch es kam der Liebste nicht.
Wilde Türken ihn erschlugen,
und sie sah’s im Traumgesicht.

Und da kam sie hergewanket,
und da weint’ das arme Ding,
weint’ drei lange Tag’ und Nächte,
bis in Tränen sie verging.

Doch wo ihre Tränen flossen,
quoll hervor und quillt noch heut
eine Quelle, Bee geheißen,
und die Bee, das ist die Maid.

(Gekürzt)

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 71, S. 254 – 255)

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