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Wie die Hohe Rinne entstand

von Alfred Hann

In einer reizenden Mulde des Zibinsgebirges war einst an der dortigen Quelle eine zu Trink- und Tränkzwecken dienende Holzrinne angebracht. Der Volksmund nannte sie „Hohe Rinne“. Dieser Name ist für Erholungssuchende wie für Touristen und Wintersportler aus dem ganzen Lande zu einem Begriff geworden, seitdem die Hermannstädter Sektion des ehemaligen Siebenbürgischen Karpatenvereins in den Jahren 1892 – 1894 an dieser Stelle das höhenklimatische Kurhaus „Hohe Rinne“ geschaffen hat (heute die vom Touristenamt ONT verwaltete Station „Păltiniş“).
Dr. Julius Pildner von Steinburg regte schon im Jahre 1885 an, im Bereich der Hermannstädter SKV-Sektion ein Kurhaus zu bauen. Nach langjährigem Suchen wählten die führenden Männer der Sektion, Oberförster Gustav Conrad, der erste SKV-Vorstand Dr. Karl Conradt und Robert Gutt das obige, der Gemeinde Großau-Cristian gehörende Gelände für den Bau. Ein Vertrag wurde abgeschlossen, der Bau konnte beginnen. Zunächst entstanden das heute noch vorhandene einstöckige Hauptgebäude und zwei Pavillons (Fassungsvermögen 80 Betten), die am 10. Juni 1894 feierlich eröffnet wurden.
Schon im darauf folgenden Jahre wurde oberhalb des Kurhauses, das für längeren Kuraufenthalt bestimmt war, ein Touristenhaus für Bergwanderer errichtet. Über die Hälfte der Kosten für diese Bauten wurden aus freiwilligen Spenden der SKV-Mitglieder und -Freunde gedeckt. Der Rest wurde durch ein langfristiges Darlehen aufgebracht. Die Gemeinde Großau stellte das benötigte Bauholz aus den in der Umgebung befindlichen Fichtenbeständen zur Verfügung. Angespornt durch die Kurerfolge, baute die medizinische Sektion Hermannstadt in nächster Nähe ein Ärzteheim, das heute ebenfalls noch bestehende Militärkurhaus. Im Lauf der Jahre kamen mehrere Privatvillen und schließlich das neue Touristenhaus hinzu. Alle zusammen bildeten die sich auch heute noch immer weiter ausdehnende Hohe-Rinne-Siedlung.
Eine besondere Leistung waren die unter der fachkundigen Leitung des aus Südtirol stammenden italienischen Wegbaumeisters Christian Gasperi erstmalig angelegten und markierten Touristenwege, einschließlich der Zufahrtstraße zum Kurhaus in einer Gesamtlänge von 65 km, darunter auch der Karl-Conradt-Weg zur Rehwiese auf der Schanta sowie der romantische, vor einigen Jahren leider einer Forststraße zum Opfer gefallene Weg durch die Zibinsklamm. Bis zum 1. Juni 1930, an dem der erste Hohe-Rinne-Autobus seinen Dienst aufnahm, wurde der Kurgastverkehr auf den für heutige Begriffe primitiven Fahrwegen mit dem historischen Hohe-Rinne-Koberwagen bewerkstelligt. Die Post wurde täglich vom letzten Postamt in Großau mit einem zweirädrigen Pferdekarren befördert, dessen Kosten aus dem Erlös von sogenannten Botenmarken bestritten wurden. Die Hohe-Rinne-Briefmarken, die 34 Jahre hindurch mit staatlicher Genehmigung ihre Gültigkeit hatten, sind heute eine philatelistische Rarität.
Im Zuge der ständigen Erweiterung des Kurhausbetriebes wurden in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Wirtschaftsgebäude mit einer Bäckerei und Wäscherei und sogar eine Badeanstalt mit Wannen- und Brausebädern errichtet, die bisherige Kerzenbeleuchtung durch elektrisches Licht ersetzt und der Telefonanschluss durchgeführt. 1938 wurde auch eine Wintersaison eingeführt, die durch den rapid sich entwickelnden Wintersport beachtlichen Zuspruch erfahren hat.
In den beiden Weltkriegen verursachten Plünderungen empfindliche Schäden. 1939 vernichtete ein orkanartiger Sturm in wenigen Stunden über 300 Joch des schönsten Fichtenbestandes in der nächsten Nähe des Kurhauses.
In den Jahren der Volksmacht ist das vom SKV begonnene touristische Aufbauwerk mit modernsten Mitteln weitergeführt worden. Heute ist die Hohe Rinne einer unser namhaftesten Höhenkurorte und Treffpunkt von Touristen und Wintersportlern.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 71, S. 63 – 65)

Seite Bildunterschrift
 
64 Botenmarken aus den Jahren 1912 und 1924.
65 o Oben: Verschnaufpause auf dem langen, damals recht beschwerlichen Weg.
65 u Rechts: Der historische „Koberwagen“.
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