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Der Butschetsch hat viele Gesichter

von Georg Hromadka

In den Südkarpaten ragen vier Bergmassive über 2500 Meter hinaus. Beginnen wir im Westen. Da ist die Granitburg des Retezat. Hier wiegt der Granodiorit vor. Wir könnten ebenso gut „Wasserburg“ sagen, denn der Retezat ist das seenreichste Gebirge unserer Karpaten. Anschließend ragt das hohe Dach des Paring in die Höhe. Der Paring ist vornehmlich aus kristallinem Schiefer gebaut (aus Gneis besonders). Als repräsentativste alpine Erscheinung und unser höchstes Gebirge überhaupt folgt die Riesenkette der Fogarascher Berge. Kristalliner Schiefer wiegt auch hier vor. Schließlich hebt sich der gewaltige Konglomerat-Buckel des Butschetsch mit seinen Kalksteinrippen über die 2500-Meter-Grenze hinaus.
Schon dass wir von einem (wenn auch „gewaltigen“) Buckel sprechen, könnte uns in den Verdacht bringen, zur Rotte Korah unter den Touristen zu gehören, die den Butschetsch nicht recht ernst nimmt. Es gibt nämlich Leute, denen der Butschetsch nicht imponiert, weil er, wie sie sagen, keine Probleme mehr aufgebe, abgegrast sei, zu viele Hütten, zu viele Straßen, zu viele markierte Wege, viel zu viel technische Mittel aufweise und daher viel zu „bevölkert“ sei – und so weiter.
Versuchen wir im Folgenden, diese Vorurteile zu zerstreuen. Für den Butschetsch eine Lanze zu brechen, ist nicht nötig. Das populärste Gebirge Rumäniens braucht unsere Schützenhilfe nicht. Wie kein anderes Massiv zieht es die Leute an. Wer kann sagen, wie viele junge Menschen der Butschetsch auf den Geschmack des Bergwanderns gebracht hat? Unser Land hat Berge und Gebirge, die sich in den letzten Jahrzehnten, aber auch schon früher, als wahre Erziehungsstätten des Bergsteigens bewährt haben. Der Butschetsch gehört dazu. Es wird nicht schaden, wenn wir unsere „Entgegnung“ zu einem kleinen Ratgeber ausbauen: weniger für den Butschetsch-Kenner als für den, der die Absicht hat, zu ihm in nähere Beziehung zu treten.
Niemand wird leugnen: Der Butschetsch ist ein faszinierendes Gebirge. Ob wir es aus nächster Nähe (etwa von Buşteni aus) oder aus großer Entfernung (sagen wir vom Krähenstein-Ciucaş), vom Osten (Prahova-Seite), Westen (Bran-Rucăr-Seite) oder Norden (Râşnov-Rosenauer Seite) betrachten – seine Felsendramatik beeindruckt uns mächtig. Wer möchte sich mit ihr nicht einlassen?
Damit stellt sich auch schon die Frage: Wie steht es mit den „Problemen“? Es ist wahr: Der Tatsache zum Trotz, dass für den Alpinisten der Butschetsch das Kletterparadies ist und bleibt, kann der Tourist, der es sich leicht machen will, in weniger als einer Stunde und ohne die geringste Mühe von Sinaia (über 800 Meter hoch gelegen) zur Bergstation Furnica (2000 Meter hoch) gelangen. Er besorgt das in zwei „Sprüngen“: einmal mit der neuen Seilschwebebahn Sinaia – Cota 1400 (sie ist mit Fahrgastkabinen ausgerüstet und wird bald die ganze Strecke Sinaia – Furnica bedienen) oder mit dem Auto bis zum „Hotel Alpin“ (Cota 1400); dann mit der alten Schwebebahn (Einmannsessel) bis zur Furnica-Bergstation. Der Kamm des Massivs, das berühmte „Plateau“, ist damit erreicht.
Für den, der jetzt da oben von Hütte zu Hütte pilgern, nichts anderes als den Duft der Speisesäle, die Aussicht auf das Flaschenregal des Hüttenwirts (mit entsprechender „Einsicht“) genießen will, gibt es tatsächlich keine Probleme mehr. Die Strecke Vârfu cu Dor (Hütte) – Piatra Arsă (Hütte) – Babele (Hütte) ist wirklich abgegrast. Aber was hindert uns, von der Bergstation aus den nahen Furnica-Gipfel (2102) zu besteigen? Wer sagt, dass wir, bevor wir das Latschenfeld betreten, um zur Piatra-Arsă-Hütte zu gehen, nicht am Rand der Latschen (Legföhren) rechts zum Jepii-Mari-Gipfel (2075) steigen dürfen, um vom Felsrand mit einem Gemisch von Glück und Grauen den ersten atemberaubenden Blick aufs Prahova-Tal zu „werfen“? Wer hält uns davon ab, anstatt auf dem zum Karrenweg ausgefahrenen Pfad in Richtung Caraiman-Hütte (Caraiman-Kreuz) und Babele-Hütte wiederum rechts hinauf zur Jepii-Mici-Höhe (2143) zu wandern und uns am Geklüft der Urlătoare-Täler (mit der berühmten Claia Mare) und des Jepi-Tals zu erfreuen? Hindert uns jemand daran, hier ohne Gefahr an den Felsgürteln umherzusteigen und auf kühnen Vorsprüngen auch ein wenig zu verweilen?
Aber es gibt eine Aufstiegsvariante von Sinaia aus, die sich kein Freund schöner Fußtouren entgehen lassen darf. Es ist der mit blauem Punkt markierte Weg Sinaia – Poiana Stânii (Hütte) – Piatra Arsă (Hütte). Wir behaupten: Es ist einer der schönsten, zugleich bequemsten Gebirgspfade der rumänischen Karpaten. Der Weg führt über den Piciorul Pietrei Arse und verlangt dreieinhalb bis vier Stunden. Die Schutzhütten von Poiana Stânii liegen beneidenswert schön am Rand einer Wiese, über der sich die lärchenbewachsenen Felsstufen des Piciorul Pietrei Arse aufbauen. Wer sich länger hier aufhält, sollte den Franz-Joseph-Felsen neben der Hütte (Aussichtsbalkon) nicht versäumen. Der Weg über den Piciorul Pietrei Arse ist für den Abstieg vom Butschetsch-Plateau besonders geeignet. Warnungstafeln machen darauf aufmerksam, dass wir durch geschütztes Gebiet gehen und uns dementsprechend zu verhalten haben. Die reiche Flora fällt ins Auge. Im Herbst nehmen sich die Lärchenbestände besonders schön aus. Überreich an Rhododendron (Mai – Juni) sind die Wiesenhänge an der Furnica und der Piatra Arsă (über dem Schutzgebiet).
Schwierigere Aufstiegspfade und eher für den Abstieg geeignet sind der „Schielweg“ (von Poiana Ţapului und Buşteni zur Piatra Arsă) und der Weg durchs Jepi-Tal (Buşteni – Caraiman-Hütte; Schutzgebiet!)
Direkt zum Omu (mit 2507 Metren die höchste Erhebung des Massivs; Schutzhütte auf dem Omu: die höchstgelegene Rumäniens) führt ein Weg durchs schöne Hirschental (Valea Cerbului) von Buşteni aus: rotes Dreieck von der Schutzhütte Căminul Alpin (Buşteni) zur Coştila-Wiese (Poiana Coştilei), dann links hinein ins Hirschental (gelbes Band). Gesamtdauer: über sechs Stunden.
Wollen wir von den Hütten Piatra Arsă, Caraiman oder Babele zum Omu (Babele – Omu: gelbes Band, zweieinhalb Stunden), müssen wir beim imposanten Felsgürtel des Cerdacul Obârşiei nicht gleich den unmarkierten, aber besseren Sommerweg einschlagen. Wir dürfen ruhig zu den Colţii Obârşiei (2488) links hinaufsteigen, um das große Hirschental besser zu überschauen, die Morar-Türme (Colţii Morarului) geneuer zu sehen und uns mit einem ersten ausgiebigen Rundblick auf das ganze Massiv beschenken zu lassen.
Vom Omu kann man auf Pfaden, die besonders den Kronstädtern und Burzenländern geläufig sind, den Nordhang hinuntersteigen: zur Malaeschter Hütte (Cabana Mălăieşti) im gleichnamigen Tal (blaues Band, zwei Stunden) oder über den 2492 Meter hohen Bucşoiu, dem vielleicht eindrucksvollsten Butschetschgipfel, erst steil-spektakulär den Friedrich-Deubel-Weg hinab (rotes Band), dann gemütlich um die Nordostflanke des Massivs herum nach Buşteni (rotes Dreieck). Der Weg (mit Anschluss an Rosenau-Râşnov und an die Hütten Diham und Poiana Izvoarelor) fordert fünf, sechs Stunden. Er „stellt Probleme“, ist aber eine echte Bergtrasse. Man kann vom Omu aus im Abstieg nach Bran (Törzburg) den Nordwesthang des Massivs in drei Varianten „machen“: rotes Band (Clincea-Variante), gelbes Dreieck (Ciubotea-Variante) und rotes Kreuz (Gaura-Variante). Jeder der drei Wege führt durch kaum „abgegrastes“ Gebiet, zeigt uns den Butschetsch aus wenig vertrauter Perspektive. Jeder hat aber auch seine „Probleme“. Wegdauer: fünf, sechs Stunden.
Mit den Nordwestpfaden wird sich nur einlassen, wer nach Bran und von dort vielleicht weiter ins ereignisreiche Dâmboviţa-Dâmbovicioara-Gebiet will. Anzuraten ist eine kleine Kammwanderung (sie ist es wenigstens zum Teil) über den Doamnele-Gipfel (2401), den Guţanu-Rücken, die Bătrâna (unterm Gipfel vorbei), die Strungele Mari (Grohotişu) zum Strunga-Sattel und weiter zur Padina-Hütte im Jalomitzatal (Valea Ialomiţei). Die Markierung (rotes Band) lässt uns stellenweise im Stich. Der Weg ist aber gut und übersichtlich. Er dauert fünf Stunden. Dadurch, dass er (grob gesagt) einen Halbkreis beschreibt, bietet er uns eins der bemerkenswertesten Butschetsch-Panoraman. Man darf sagen: den Butschetsch kennt man erst, wenn man auch das Westgebiet „in Augenschein genommen“ hat.
Bleibt das Jalomitzatal, dessen oberen Abschnitt (bis zur Peştera-Hütte) wir uns ruhig schenken dürfen, nachdem wir die Guţanu-Variante gewählt haben. Nicht verzichten wollen wir aber auf den Abschnitt Peştera – Scropoasa. Bei der Peştera-Hütte (die Hütten Padina und Peştera liegen nicht weit auseinander) besichtigen wir die Bärenklamm (Cheile Urşilor), sehen uns die Jalomitzahöhle (Peştera Ialomiţei, über 400 Meter lang) von außen an (drinnen ist nicht viel los), dringen, soweit es ohne Gefahr geht, in die benachbarte Horoaba-Schlucht ein und spazieren dann die gute Straße flussabwärts: an der Padina-Hütte vorbei, durch die kleine Coteanu-lamm (Cheile Coteanului), dann durch die ansehnlichere Tătaru-Klamm (Cheile Tătarului). Ist das Tal bis zu den beiden Klammen weit und voller Atem gewesen, hat es uns bis dahin eine schöne Rundsicht auf das riesige Butschetsch-Hufeisen von „innen“ her geboten, so wird es nun drückend eng, weitet sich aber beim ehemaligen Verladeplatz der Schiel-Drahtseilbahn in der Nähe der Bolboci-Hütte wieder kesselartig, um dann unterhalb der Zănoaga-Hütte in eine wild-gewaltige Schlucht überzugehen. Wir lassen die Straße buchstäblich links liegen und schlagen den Klammweg ein. Jetzt verfolgen wir die Markierung blaues Kreuz, die wir auf der „klaren“ Straße nicht beachtet haben. Die Zănoaga-Klamm ist nicht sehr lang (etwa ein Kilometer), aber voller „romantischer“ Momente. Von der Peştera- bis zur Scropoasa-Hütte (schöne Lage am Scropoasa-See) machen wir kaum mehr als drei Stunden.
Unser Tipp: Von Scropoasa nochmals durch die Zănoaga-Klamm (bergauf kommt sie uns noch schöner vor) zurück zur Zănoaga-Hütte. Für den, der ein, zwei Tage hier verbringen will, gilt folgender Wink: Steigen Sie zum Zănoaga-Gipfel (1789) und zum Podu Zănoagei hinauf. Bizarre Felspartien und eine unberührte Karstvegetation erwarten Sie. Da ist nichts abgegrast. Allerdings: Markierungen fehlen (Naturschutzgebiet!). Sie müssen sich nach dem besten Weg in der Hütte oder besser bei den Leuten erkundigen, die in der Nähe wohnen und arbeiten.
Aus dem Jalomitzatal hinaus und ins Prahovatal hinüber gelangen wir auf einer der zahlreichen Touristenmagistralen des Butschetsch über die Hütte Vârfu cu Dor (Anschluss an die Seilschwebebahn). Die Markierung: Zănoaga – Bolboci blaues Kreuz (eine Viertelstunde), Bolboci – Vârfu cu Dor gelbes Kreuz (drei Stunden).
Vergessen wir nicht: Bei Hochwanderungen im Butschetsch darf die gefüllte Feldflasche in der Ausrüstung keineswegs fehlen. Erinnern wir abschließend daran, dass von Sinaia aus eine nicht asphaltierte Bergstraße über den Dichi-Berg ins Jalomitzatal zu den Hütten Zănoaga, Padina und Peştera führt (31 Kilometer). Vom Dichiu (18 Kilometer von Sinaia) zweigt in 1700 Meter Höhe eine Straße nach rechts ab. Sie bringt uns nach weiteren 12 Kilometern zur Babele-Hütte (2140 Meter hoch gelegen). Vier Kilometer vor der Babele-Hütte biegt eine Straße (1 Kilometer) zur Piatra-Arsă-Hütte ab.
Ob es uns gelungen ist nachzuweisen, dass der Butschetsch bei Weitem nicht „abgegrast“ ist? Dass auch der anspruchsvolle Bergwanderer hier auf seine Rechnung kommt, wenn er sich nur ein bisschen bemüht und sich, wo immer es angeht, ohne Bedenken der Butschetsch-Technik und Butschetsch-Zivilisation bedient: der Straßen, der Schwebebahnen, der Hütten und nicht zuletzt der guten markierten Wege?

Das Wunder der Wunder ereignet sich im Juni, wenn die Alpenrosen blühen. Ist das Wetter günstig gewesen und hat kein später Frost die Knospen vernichtet, schmückt der Almrausch die Hänge des Butschetsch mit seinen feurig roten Teppichen. Das Glühen des Furnica-Hangs kann man schon von Sinaia aus wahrnehmen – am Nachmittag besonders, wenn die Sonnenstrahlen schräg auf den Berg fallen.

Reiß keine Blume ab, wenn du nicht entschlossen bist, sie nach Haus zu nehmen und in eine Vase zu stellen. Schlag keine Brennnessel, keine Distel um und sag nicht, sie seien „böses“ Unkraut. Wenn du willst, dass sie dir nichts antun, weich ihnen aus. Ihre „Bosheit“ ist keineswegs aggressiv wie beim Menschen. Es hat noch niemand eine Brennnessel einem Menschen nachlaufen sehen, um ihn zu „beißen“… Außerdem: Deine oberflächliche Zerstörungswut verwüstet den Ort. Denn auch „böses“ Kraut ist schön, wenn es lebt und unversehrt dasteht.

Im Butschetsch blühen die Blumen noch im Oktober – in den Felswinkeln der Grasgürtel, wo der saftig-grüne Rasen von tausend Farbspritzern belebt ist und an den sonngewärmten Felswänden Hummeln und Bienen summen…

Bucura Dumbravă

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 71, S. 153 – 171)

Seite Bildunterschrift
 
153 Buşteni – das heißt soviel wie Caraiman, Coştila, Alpinismus.
154 Bucegi Orientierungsskizze.
155 Stolz ragt über den Diham-Kuppen der Bucşoiu in die Höhe.
156 Ein bequemer Weg (Bild links) führt zur schön gelegenen Poiana Stânei (Bild unten) und ihren Schutzhütten.
157 Die „Babele“, die alten Klatschweiber des Butschetsch.
158 Butschetsch-Plateau: Wenige hundert Meter vom Weg gähnen die „schönsten“ Abgründe.
159 Ein Bild, das wir schon klassisch nennen dürfen: Die Caraiman-Abstürze über dem Jepi-Tal. Über ihnen führt ein guter Pfad von der Caraiman-Hütte (links) zum Caraiman-Kreuz.
160 Und das ist die berühmte Butschetsch-Sphinx bei den „Babele“.
161 Wo das Jalomitzatal noch großatmig und weit ist…
162 – 163 o Das Quellgebiet des Hirschentals (Valea Cerbului) am Winteranfang.
163 u Rechts: Das tief verschneite Gaura-Tal am Butschetsch-Westhang.
164 Links: Nicht sehr lang, doch schön ist die Tătaru-Klamm.
165 Rechts: Jäh und mit Getöse wirft sich die Jalomitza in die große Schlucht der Zănoaga.
168 Links: Der Weg nach Scropoasa führt durch die Zănoaga-Klamm.
169 Weniger bekannt, aber nicht minder schön: der Butschetsch-Westhang.
171 Die Moraru-Türme (Acele Morarului) über dem Moraru-Tal. Das schöne Tal ist von Buşteni aus (Plaiu Munticelului) leicht zu erreichen. Sein Durchstieg allerdings fordert Training: Schwierigkeitsgrad 1.
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