von Franz Engelmann
An der Marosch, kurz vor ihrem Eintritt in die weite Banater Ebene,
liegt der Doppelort Lippa-Radna. Die schwere Süße, die ringsum
reift, wird etwas allzu verallgemeinernd „Minischer“
genannt und die alten Mauern droben – die Schoimoscher
Burg. Obligat steigt der Reisende hier aus und hinauf. Allzu viel
Schweiß fordert der Aufstieg nicht, besonders seitdem man nicht mehr
durch Burggraben und Mauerlücken turnen muss, sondern dank der
Arbeit der Restauratoren wieder über die auf hohen Pfeilern ruhende
Brücke durchs gotische Tor in den Burghof gelangen kann. Dann steht
man unter den Konsolen des „Balkons der Königin
Isabella“ – und erinnert sich der Zeit, da die Burg
Königinnensitz war, denkt zurück an jenen 10. Juni 1514, als sich
die Tore von Schoimosch den stürmenden Bauernheeren Georg Dozsas
öffneten, an den Tag, als mehr als ein Vierteljahrtausend später
Horia dem Gutsschreiber von Schoimosch, Karl Brüneck, seine
Ultimatumsbedingungen an den Adel in die Feder diktierte. Vielleicht
bleibt man mit einer leichten Gänsehaut auch über Nacht hier und
wartet auf die verzauberte Prinzessin, auf die Schlange mit dem
Krönchen, die den Schlüssel zu den verborgenen Schätzen im Maul
trägt. Vor Jahren gab’s für solche „Mutige“ sogar
ein Strohlager im verfallenen Wachstübchen des Torturmes.
„Obligat“, sagten wir oben mit gutem Grund. Denn jeder
richtige Temesvarer muss wenigstens einmal in seinem Leben auf
dieser Burg, der besterhaltenen des Banats und vielleicht der
Einzigen, die er kennt, gewesen sein.
Dabei gibt es rechts und links der (grob über den Daumen gepeilt)
etwas zweihundert Kilometer langen Linie von Schiria an der
Nordwestecke des Zarandgebirges bis zu den Tri Kule im Donauknie,
der südlichsten Ecke des Banats, mehr als ein Dutzend alter Mauern,
die alle sehenswert in einer sehenswerten Landschaft stehen.
Beginne wir im Norden. Weit höher gelegen als Schoimosch und schon von
Arad aus zu sehen, ragt der Turmtorso von Schiria
empor. „Serenia“ hieß einst diese große Burg, die
„Strahlende“, und war ein Juwel im Familienbesitz der
Huniaden (Corvinești). Ihre letzte Stunde schlug, als die
Aufständischen Horias durchs Kreischtal heranrückten und die Kanonen,
die man rasch aus der Festung Arad heranschaffte, in pausenlosem
Beschuss die Burg in Schutt und Asche legten, damit sie nicht zum
Bollwerk des Bauernheeres werde. Wenig blieb stehen von der
„Strahlenden“, und nur alte Chroniken wollen wissen, dass
sie, ihrem Namen Ehre machend, einst prächtiger war als selbst das
Schloss von Hunedoara.
Nach Süden geht es über zwei Flüsse, die Marosch und die Bega, ins Tal
der Temesch. Und hier, auf einem der letzten Ausläufer der Poiana
Ruscăi, gleich hinter Lugosch, über dem Dorfe Jdiora, stehen
die spärlichen Überreste einer Burg, deren Geschichte sich in grauer
Vergangenheit verliert. Schon weitgehend ruiniert diente sie noch im
18. Jahrhundert den Heiducken als Zuflucht und Stützpunkt, bis General
Lentulus 1739 unter ihren Mauern blutig Gericht hielt: Fünfzig Männer
fielen unter den Kugeln des Strafkommandos...
Auf dem Wege zum Muntele Mic grüßt oberhalb des Dorfes Turnu-Ruieni
ein trotziger Turmstumpf. „Turris Lapidae“ nennt ihn die
Geschichte, doch man sollte womöglich nicht allzu auffallend lächeln,
wenn ihn ein Karansebescher Lokalpatriot „Turm des Ovid“
nennt und Stein und Bein darauf schwört, dass hier einst der große,
nach Tomis verbannte römische Dichter lebte.
Von der Temesch wechseln wir über die „Porta Orientalis“
hinüber ins Flussgebiet der Cerna und Bela Reca. Bei Mehadia ragt vom
steilen Kegel ein gespaltener Turm, fast wie ein riesiges
Portal. Schon im 14. Jahrhundert nennt die Geschichte einen
„Comes von Mihald“, den Vorsteher einer der sieben
rumänischen Distrikte, die unter Führung des Banus von Severin
jahrhundertelang einen festen Schutzwall gegen die Türken bildeten.
Breit rauscht die Donau dahin – jetzt noch! Ehe ihre Fluten im
großen Stau erlahmen, fahren wir noch einmal die
„Szécsényi-Straße“ hinauf, durch eine Landschaft, die
morgen Seegrund sein wird. Burgruine Peetsch hoch über der
geschichtsumwitterten Veterani-Höhle im Kasanpass, Tri Kule,
Drencova... Drei Burgruinen, Zeugen eines zähen, verzweifelten Kampfes
gegen Rossschweif und Halbmond, in dem die Knesen Bizerea und Ciormei
und König Sigismund, rumänische Bauernheere und Deutschordenritter
unter dem Severiner Komtur Nikolaus von Redwitz Schulter an Schulter
standen.
Bei der „Ladislausburg“, hoch über dem Babakai-Felsen,
gegenüber dem siebentürmigen Golumbatsch, nehmen wir Abschied von der
Donau. Es muss ein stolzer Bau gewesen sein, denn fast fünfhundert
Mann zählte allein die Besatzung der Burg, als Sigismund von Luxemburg
von hier aus einen unglücklichen Feldzug gegen die Türken startete und
die legendäre Cäcilie Rozgony, Gattin des Temescher Comes, ihr Leben
in die Schanzen schlug, um nicht nur den König, sondern mehr wohl den
Mann Sigismund – er galt als ein Don Juan auf dem Thron –
zu retten. 1482 führte Paul Chinezul abermals von hier aus einen
Feldzug gegen die Türken, diesmal mit Erfolg.
Nordwärts geht es übers Lokwa-Gebirge und die schäumende
Nera. Burgruine Ilidia (oder, wenn Sie wollen: Sokolar). Hier sollte
man ja nicht versäumen, sich die Legende des letzten Banater Heiducken
Adam Neamțu erzählen zu lassen, jenes Lehrers aus Saska in der
ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, der, zutiefst empört über das
Unrecht seiner Zeit, mit seiner Schar in die Berge ging und hier auf
der Burg den Eid schwur, dem er bis zu seiner Hinrichtung treu blieb:
die Not des Volkes zu rächen.
Kraschowa. Wohl das kühnste Felsennest, das man sich denken kann, eins
fast mit den senkrechten Wänden der Prolas-Schlucht. Auch hier saßen
rumänische Distriktknesen, genauso wie drüben in Mehadia und Ilidia,
und man rühmt ihren Mut, mit dem sie die Rechte der freien Bauern
gegen Feudalanmaßung zu verteidigen wussten.
Bokschan. Letzte Ausläufer der Berge, letzte Burgruine im
Bergland. Ihre Mauern deuten, trotz des hohen dokumentarischen Alters
– beglaubigt seit 1333 – schon auf die Bauweise späterer
Jahrhunderte hin.
Zum Schluss der einzige einwandfrei mittelalterliche Wehrbau des Banater Flachlandes, die Tschakowaer „Kula“, letzter Rest einer einst umfangreichen Wasserburg. Die Ortskundigen können heute noch den Verlauf des einstigen Burggrabens zeigen. Jedoch: Andere Zeiten – andere Sitten: Heute ist die Kula Wasserturm und speist das lokale Strandbad.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 70, S. 110 – 112)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
111-o | Die Burg von Schiria (oben) |
111-u | Die „Tri Kule“. |