von Georg Hromadka
Was ist Landschaft? Die Wörterbücher geben Auskunft: „Gegend,
natürliche Geländeeinheit, abgeschlossenes Gebiet“. Oder:
„Eine Gegend nach dem Eindruck, den die Natur dort auf den
Beschauer macht“. Wir möchten hinzufügen: Landschaft ist nicht
Natur allein; der Mensch gehört dazu, mit seinen Werken, seiner Art
zu sein, seinen Besonderheiten. Lassen wir die Städtelandschaft
beiseite, die auch ihr besonderes, durch den Menschen und dessen
Leistungen bestimmtes Gepräge hat. Blicken wir auf die
Naturlandschaft. Was wären die rumänischen Berge ohne den
rumänischen Bergbauern, die Karpaten und das Westgebirge ohne den
rumänischen Hirten? Nicht denkbar wären sie.
Sagen wir „Maramuresch“, sehen wir nicht nur das Gutiner Gebirge vor uns und das Oascher Land, den Țibleș und das Rodna-Gebirge, sondern auch die Menschen, ihre Siedlungen, ihre Häuser. Wir hören ihren „grai“, ihr unverwechselbares Idiom. Wir sehen sie bei der Arbeit und beim Tanz. Wir hören ihre Lieder. Wir sehen ihre Tracht.
Dasselbe geschieht, wenn wir „Motzenland“ sagen oder „Vrancea“, „Bukowina“, „Almascher Tal“, „Gorj“, „Muscel“. Oder „Muntele Mic“, „Zibin“, „Tarcău“.
In einem Land, in dem die Volkskunst (das Volkslied, der Volkstanz vor allem) noch so lebendig ist, in dem die Volksbräuche noch so in Ehren gehalten werden, muss auch die Volkstracht (die Tracht der Bauern) ihre Ursprünglichkeit gut bewahrt haben. Wenn auch die fortschreitende Industrialisierung an der Alltags- wie der Festtagskleidung der Landleute einiges geändert hat – der Sinn für das Hergebracht-Schöne ist bei uns nicht verloren gegangen.
Wer durchs Land reist, durch die Gebirgsdörfer wandert, wird neben der Mannigfaltigkeit der Volkstracht die Hartnäckigkeit bewundern, mit der sich die bäuerliche Tracht behauptet. Davon (vom Formenreichtum und der Vitalität der rumänischen Volkstracht) kann man sich überzeugen, wenn man beispielsweise einen Wochenmarkt in Beiuș am Fuß des Westgebirges oder einen Sonntag in Dragoslavele (Muscel) erlebt.
Unter den mitwohnenden Nationalitäten sind es die Szekler im Harghita-Mureș-Gebiet, die südslawischen Kraschowäner im Banater Karst, die Deutschböhmen am Semenik, ganz besonders aber die Siebenbürger Sachsen im „Alten Land“, im Burzenland und im Nösnergau, die zum Farben- und Formenreichtum der Volkstracht in Rumänien wesentlich beitragen.
Die Tracht ist ein wesentlicher Bestandteil des sachlichen Kulturgutes eines Volkes. Entstanden aus seiner Hände Arbeit, den Bedürfnissen des bäuerlichen Lebens angepasst und im bäuerlichen Geschmack farbenfreudig verziert, ist die Volkstracht Erkennungszeichen des Volkes, gleich der Sprache und Sitte.
Julius Bielz
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 70, S. 193 – 197)
Seite | Bildunterschrift |
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193 | Junge Keisder Frauen. |
194 | Sonntags auf einem Wiesenhügel über dem malerischen Rucăr. |
195 | Fürs Kerweifest „hergerichtet“: Deutsch-Bentscheker Mädchen. |
196-l | Kraschowänisches Brautpaar auf dem Weg ins Elternhaus, wo Hochzeit gehalten wird. |
196-r | Szeklerpaar |
197 | Oascher Land: Jungmänner tanzen „auf der Stelle“. |