von Walter Kargel
Die Freude am Bergsteigen, am Felsklettern ist es wohl, die uns jedes
Wochenende, jeden Ferientag aufs Neue in die Berge zieht. Welches
sind nun die Gebiete in Rumänien, die dem Alpinisten diese Freude
ermöglichen?
Da ist vor allem das Butschetsch-Gebirge, das Gebiet, in dem sich die
meisten und schwierigsten Kletterwege in ausgesprochen alpinem
Gelände konzentrieren. Hier liegt die "Hauptstadt des
rumänischen Alpinismus", Bușteni, zu Füßen der
Felshochburg, der Gruppe Caraiman-Coștila. Zieht auch der
Caraiman mit seinem den Helden des Ersten Weltkrieges geweihten
Gipfelkreuz die Blicke des Wanderers zuerst an, so ist es doch die
mächtige Coștila, die uns Bergsteigern mit ihren Wänden und
Graten, den wuchtigsten in Rumänien, besonders ans Herz gewachsen
ist. Zwischen Caraiman und Coștila liegt die Valea Alba, das
Weiße Tal, dessen Firn den Sommerskilauf ermöglicht. Hoch drüber
baut sich die zerfurchte Caraiman-Nordwand auf – Peretele
Albișoarelor – und die vom Coștila-Gipfelplateau
abfallende Südwand des Weißen Tales – Peretele Văii
Albe. Gute zwei Dutzend Kletterwege der hohen und höchsten
Schwierigkeitsgrade führen durch die Wand. Erwähnt seien nur Traseul
Speranței, der Blaue, Rote, Weiße und Grüne Riss
(fisură), Muchea Brânelor, Eftimie Croitoru und der Sporn
– Pintenul.
Ein mächtiger Pfeiler, auf dem ein Stoßtrupp kampferprobter Lärchen
verbittert ums Dasein kämpft, trennt die Südwand von der Ostwand
– Peretele Policandrului (Peretele Vulturilor nach
Cristea). Da gibt es den "Vielbegerhten Riss" –
Fisură mult dorită, Traseul Policandrului und Fisura
suspendată. Jenseits dieser Bollwerke schneidet die Valea
Coștilei eine tiefe Furche in den Berg. Am Eingang der
Schlucht stehen zwei Klettertürme: der "Kleine" –
Țancul Mic, und der "Spitze" – Țancul
Ascuțit, auf dessen vorgelagerter Terrasse eine kleine
Wellblechhütte steht – Refugiul Coștila, Ausgangspunkt
für alle Coștila-Kletterfahrten. Darüber baut sich eine
mauerglatte Südwand auf – Peretele Coștilei, mit den
Führen Fisura Mare, Andrei-Ghițescu-Gedächtnisführe und dem
markanten Kamin – Hornul din Peretele Coștilei. Ein
luftiger Grat krönt die Mauer – Creasta
Coștila-Gălbinele, und jenseits fällt die düstere
Nordwand – Peretele Gălbinelelor fast senkrecht ins
"Tal der gelben Bergblumen" ab – Valea
Gălbinelelor. Durch die Nordwand führen Kletterwege über die
"Drei Überhänge" – Cele trei Surplombe, die
"Gabel" – Furcile, den "Großen Überhang"
– Marea Surplombă und das "Riesendach" –
Marele Tavan din Peretele Gălbinelelor. Das
Gălbinele-Tal wird durch weitere Bollwerke abgeschlossen: die
"Schulter" – Umărul Gălbinelelor,
Colțul Strungii und Colțul Gălbinelelor. Die
Coștila-Nordflanke wird von zahlreichen Rinnen zerfurcht, wo es
eine Menge Probleme mittlerer Schwierigkeit zu lösen gibt: Valea
Mălinului, Valea Țapului, Valea Urzicii usw. Aus
Raummangel wollen wir die übrigen Klettergebiete des Butschetsch nur
streiflichtartig beleuchten: Colții Morarului, das
"Kirchl" – Bisericuța im Malaeschter Tal
(Turnul Mălăiești), der Klettergarten Turnul
Seciului im Jalomitza-Tal (Peștera); die wenig bekannte
Westseite des Butschetsch, wo es noch Neuland gibt (Valea Gaura,
Strunga-Gebiet), das Jepii-Gebiet (Claia Mare, Brâna lui
Răducu).
Unser zweites Berggebiet mit alpinem Charakter ist der Königstein, in
der weiteren Umgebung von Kronstadt. Der attraktive, aus weißem
Kalkstein aufgebaute Berg mit seinen bunten alpinen Matten
konzentriert seine Delikatessen vor allem in folgenden Gebieten der
Westflanke, die steil zum Burzenbach abfällt: die Diana-Felsburg mit
dem Großen, Kleinen und Gelben Turm und den Führen Fisura
Nordică, Traseul Fomino, Floarea de Colț
("Edelweiß") und Gențiana ("Enzian"), wobei
wir nur die wichtigsten nennen; die "Wand der großen Orgel"
– Peretele Marii Orgi; das Gebiet der Cabana Ascunsă mit
den Führen des Ciorânga-Bandes (Lespezile Lirei) und des
Călineț (Creasta Cornul Caprei); das
Șpirla-Gebiet mit zahlreichen Führen, die fast nur den
einheimischen Bergsteigern bekannt sind; das Gebiet des Südgrates:
Umerii Pietrei Craiului, Peretele Padinei Lăncii, Peretele
Marelui Grohotiș, Muchea Roșie, Peretele Piscul Rece,
Peretele lui Ivan, Peretele de la Ceardacul Stanciului; das Gebiet der
Curmătura-Hütte und der Zerneschter Klettergarten in den
schwierigen Schluchtwänden der Prăpăstii. Weitere
ernsthafte Kletterwege haben die Kronstädter im Schuler-Gebiet (Cheile
Postăvarului) und am Hohenstein (Piatra Scrisă). Nach
Butschetsch und Königstein ist das dritte große Klettergebiet die
Bicaz-Klamm. Direkt vom Asphaltband der abenteuerlichen Bicaz-Straße
streckt man sich, um Karabiner und Seil in den ersten Haken eines
Sechsers einzuhängen; Sentinela und Surplomba de la Gâtul Iadului,
Peretele Turnulețului, Piatra Surducului, Fisura Artei heißen
einige der Führen. Der imposante Altarstein bietet Führen mittlerer
Schwierigkeit.
Die Klausenburger klettern übers Wochenende in den Kalkwänden der
Thorenburger Schlucht (Cheile Turzii); über dreißig Führen der
verschiedensten Schwierigkeitsgrade. Besondere Klettergebiete nennen
die Großwardeiner (Westgebirge) und Banater (Neraklamm) ihr Eigen. Die
Moldauer klettern am Ceahlău (Panaghia, Ocolașul Mare,
Turnul Budii) und am Rarău (Pietrele Doamnei).
Ein funkelnagelneues Kletterland entdeckten Bukarester Bergfreunde im
südlichen Ausläufer des Căpățâna-Gebirges bei
Olănești: Buila-Vânturarița. Innerhalb eines
Sommerurlaubs eröffneten sie ein halbes Dutzend Führen und machten
weitere, bis jetzt nicht versuchte Möglichkeiten aus.
Schließlich haben wir noch was für Feinschmecker beiseitegestellt. Mit
rund 40 Führen wartet der Retezat auf, das einzige
Granit-Klettergebiet Rumäniens. Die meisten führen auf die
Colții Pelegii, weitere auf die Bucura II, Turnul Porții
usw.
Das imposanteste Bollwerk der Transsilvanischen Alpen, das Fogarascher
Gebirge, zieht die Bergsteiger vor allem im Winter an. Schon die
winterliche Längsüberschreitung des Hauptkamms stellt eine großartige
alpine Leistung dar. Schwieriger, obwohl kürzer, sind die nördlichen
Nebenkämme Creasta Albotei, Podragului, Viștei,
Drăgușului usw. sowie Teile des Hauptkamms: Creasta
Arpășelului, Creasta Șerbotei, Negoi- und
Călțun-Nordwand, Hohe Scharte.
Fogarascher und Retezat bieten dem Bergsteiger im Winter die schönsten Skitouren und Abfahrten in unberührtem Schnee, richtigen alpinen Skilauf, im Gegensatz zum Pistenskilauf der immer breiteren Masse der Wintersportler.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 70, S. 28 – 32)
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28 | Ohne Titel |
30 | Bușteni, die „Hauptstadt des rumänischen Alpinismus“, liegt am Fuß der Caraiman-Steilwände. |
31 | Kargel Karikatur |