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Einmaliger Domogled

von Friedrich König

Die Bäder im wildromantischen Cerna-Tal, von den alten Römern dem Halbgott Herkules gewidmet, werden von immer mehr Badegästen und Touristen aus vielen Ländern besucht. Tag und Nacht jagen Autos und Motorräder über die 4 km lange Betonstraße zwischen Bahnhof und Kurort. Im Sommer brechen täglich zahlreiche Ausflügler in Richtung „Räuberhöhle“ auf, zu den „Sieben Quellen“, zum „Gisela-Kreuz“. Aber nur wenige gehen die steilen Serpentinen, die zu den Aussichtshöhen oder zum „Weißen Kreuz“ führen. Seit uralten Zeiten bewegen sich die Menschen nur auf einem schmalen gangbaren Streifen Boden, den schäumenden Cernafluss entlang, und machen sich kaum Gedanken darüber, wie es hinter den steilen Kalkwänden des schluchtartigen Tales aussieht.
Bis vor wenigen Jahren, bevor die schöne Forststraße talaufwärts ausgebaut wurde, war Herkulesbad sozusagen das „Ende der Welt“. Nur geübte und erfahrene Touristen wagten es, durch das wilde Tal zu den Höhen des Godeanu oder des Retezat vorzudringen, wobei man Tage hindurch keinem Menschen begegnete. Wenn heutzutage das Rattern der Transportfahrzeuge das Brausen der Cerna-Fälle auch übertrifft, bleiben die zerklüfteten Felswände der beiden Ufer doch weiterhin unberührt. Oben, wo in unmittelbarer Nähe der Bäder noch Bären und Luchse herumstreifen, beginnt eine Wildnis, die einerseits bis zu den Hochkarpaten, andererseits bis zu den fernen Dörfern des oltenischen Hügellandes reicht. Versteckte, einsame Pfade führen hin, auf denen nur Waldarbeiter und Bauern „von drüben“ verkehren.
Der letzte Ausläufer gegen Südwesten des bis zu 1600 m hohen Cerna-Gebirges ist der Domogled mit seinen zwei kahlen Gipfeln von etwas über eintausend Metern, zwischen denen sich eine offene Hochwiese ausdehnt. Der Berg wurde wegen seiner außerordentlich reichen Pflanzenwelt und seltenen Insekten schon Ende des 18. Jahrhunderts allgemein bekannt, als der berühmte Naturaliensammler Johannes Centuruis Graf von Hofmannsegg aus Dresden hier in den Jahren 1793 und 1794 zahlreiche damals noch unbekannte Pflanzen und Insekten entdeckte. Der Berg wurde seither von den meisten nennenswerten Naturforschern und Sammlern Europas besucht. Er wird heute in fast allen botanischen und zoologischen Abhandlungen über Südosteuropa erwähnt. Da aber die verhältnismäßig ebene Hochfläche des Berges immer häufiger von Schafherden besucht wurde, hat unsere Akademie der Wissenschaften das ganze Domogledgebiet (900 ha) 1952 zum Naturschutzgebiet erklärt und somit ein Stück besonders interessanter Landschaft für die Zukunft gerettet.
Wir beginnen unseren Aufstieg hinter den Kalköfen zwischen der Gemeinde Pecenișca und Herkulesbad. Fast hundert Jahre lang hallten die steilen Kalksteinfelsen am Fuße des Domogled von den Sprengungen wider. Ungeheure Geröllmassen zerstörten die ursprüngliche Vegetation. Da sich hier nach Aussagen berühmter Wissenschaftler des vorigen Jahrhunderts ein wahrer botanischer Garten im Freien befand, ist der weitere Abbau nach langjährigen Bemühungen der Naturschutzbehörden eingestellt worden. Es wird allerdings noch Jahrzehnte dauern, bis die öden Schuttmassen von der Pflanzenwelt wieder besiedelt werden.
Ein enger Pfad führt hinauf zum Eingang in eine von unten kaum sichtbare wilde Schlucht, in der sich ohne weiteres Karl Mays Balkan-Abenteuer abspielen hätten können. An den Wänden der kühnen Felstürme klammern sich über uns die Wurzeln der seltsam geformten Banater Schwarzkiefer (Pinus nigra banatica). Pechschwarze Falter gaukeln vor den Felsen, sie heißen Erebia melas und wurden hier zum ersten Mal in der Welt gesammelt. Wenn man Glück hat, lässt sich auch ein nettes Vögelchen, der Mauerläufer (Trichodroma muraria), beobachten, mit scharlachroten Flecken auf den Flügeln, die bei jeder Flatterbewegung an der grauen Felswand aufleuchten.
Weiter oben, wo die Schlucht sich wieder erweitert, erblicken wir links ein wildes Durcheinander von Felstürmen und unzugänglichen Geröllhalden mit spärlichem Dorngestrüpp, wildem Flieder und rundblättrigen Perückensträuchern. Über den drohend steilen, gegen den Himmel ragenden Wänden des Domogled kreisen Adler und Turmfalken, das Kreischen der Jungen dort oben im Horst klingt hier ganz seltsam wegen des vielfachen Widerhalls. Unser Pfad hört plötzlich zu steigen auf und führt durch ein heißtrockenes Tal, wo zwischen den zerstreuten weißen Felsblöcken giftige Nasenvipern (Vipera ammodytes) und hornissengroße Skorpione (Euscorpius carpathicus) auf ihre Opfer lauern. Die angeblich noch von den Römern eingebürgerte, für sie heilige Aesculap-Schlange (Elaphe longissima), die bis zwei Meter lang werden kann, ist heute zwar selten, aber ebenfalls hier anzutreffen. Die mächtigen Bäume mit breiter Krone sind keine Eichen, sondern Türkische Haselnuss-Bäume (Corylis colurna). Sie stehen vereinzelt auf dem ziemlich steilen, von unzähligen Blumen bedeckten Wiesenhang. Mannshohe Königskerzen, feuerrote Lichtnelken, weißblühender Zwergholunder, von violetten Thymian-Polstern umgeben, laden bunte Falter, Wespen, goldgrüne Rosenkäfer, Bienen und sonstige Insekten an den nektarbeladenen Tisch.
Bald erreichen wir eine Quelle. Auf dem feuchten Boden sitzen an heißen Tagen Hunderte von durstigen Tagfaltern. Bei einem einfach zusammengebastelten Tisch mit zwei Bänken schmeckt unser schmeckt unser Rucksackproviant mit frischem Quellwasser besonders gut.
Valea Feregarilor heißt das Tal, denn wir überqueren mehrere ausgedehnte Farnkrautfelder, bis wir den versteckten steilen Waldpfad zum Domogled ausfindig machen. Dumpfe Hitze quält einen in diesem windlosen Schatten, bis wir endlich durchschwitzt in 700 m Höhe den oberen, mit feuerroten Türkenbundlilien geschmückten Waldrand erreichen.
Eine bezaubernde Parklandschaft öffnet sich vor uns. Von einem fast undurchdringlichen Fliedergebüsch umkränzt, dehnen sich die blumenbedeckten Hochwiesen des Domogled bis zu den kahlen Gipfeln hin. Einzeln oder gruppenweise stehen Schwarzkiefern. Ihre seltsam verdrehten Kronen sind Zeugen der schweren Schneemassen und heftigen Winde des Winters. Im Sommer weht aber da oben immer eine angenehme, frische Brise, und das Wandern auf dem weniger steilen Hang wird ein Vergnügen. Noch eine halbe Stunde, und wir erreichen den Hauptgipfel (1106 m). Von hier aus bietet sich uns ein Rundblick von unvergesslicher Schönheit. Bei klarem Wetter sieht man die steilen Wände der Donauenge, weiter unten die silberweißen Schlingen des mächtigen Stromes. Ein leichter Sattel trennt uns vom zweiten Gipfel (1102 m), von wo aus man weit in das wilde Cerna-Tal bis zu den wolkenumhüllten Hochkarpaten, die ganze zerklüftete Kette des Cerna-Gebirges, mit dem 1300 m hohen Șușcu im Vordergrund, überblicken kann. Fast senkrecht fallen die Nordwände der beiden Domogled-Gipfel zum tiefen Jalărău-Tal ab.
Außerordentlich reich ist die Pflanzen- und Tierwelt der Domogled-Höhen. Auf der Nordseite der beiden Gipfelfelsen blühen inmitten eines saftigen Blätterkranzes die leuchtend dottergelben Blumen einer seltenen Schlüsselblume (Primula auricula serratifolia). Saftige Steinrosen, fette Sedum-Stengel, hohe Haarstrang-Schirme und andere fremdartige Pflanzen wurzeln in den Felsspalten. Die ausgedehnten Hochwiesen sind ebenfalls blumenreich. Rote und gelbe Holunder-Orchideen, weiße Federnelken wechseln mit faustgroßen Zwerg-Schwertlilien ab. Hier schwärmen überall bunte Käfer, Falter und schwarz-gelbe Schmetterlinghafte (Ascalaphus). Rot- und blauflügelige Heuschrecken (Oedipoda) hüpfen schnarrend aus dem Weg.
Noch ein Blick auf die mächtigen Schwarzkiefern, die auf dem Hochplateau vereinzelt herumstehen, und der Abstieg gegen Herkulesbad beginnt. „Katzensteg“ hat man früher diesen nicht ganz bequemen Pfad genannt, der am Kamm des Nordgrates steil gegen das „Weiße Kreuz“ hinunterführt. Man arbeitet sich wieder durch ein Fliedergebüsch, aus dem hie und da silbergeblätterte Vogelkirschbäumchen (Sorbus borbási) herausgucken. Rechts von uns sind die zerklüfteten Felsen überall mit gesunden Schwarzkiefern geschmückt. Die mit Stacheln und Dornen bewaffneten Ranken der Hagebutten- und Brombeersträucher greifen nach unseren Kleidern, bis wir zur versteckten Șerban-Höhle ankommen. Wir haben die viel größere, schwer auffindbare Soroniște-Höhle links liegen lassen und betreten nun einen steilen Serpentinenweg einer Geröllrinne entlang bis zum Aussichtspavillon in der Nähe des Weißen Kreuzes (350 m), von wo man fast senkrecht auf die Kurgebäude von Herkulesbad (180 m) hinunterschaut. In endlosen Serpentinen schlängelt sich der Weg von hier zum Cerna-Hotel hinab.

(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 70, S. 76 – 80)

Seite Bildunterschrift
77 Die Schwarzkiefer (Pinus nigra banatica).
79 Türkischer Haselnussbaum (Corylis colurna).
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