von Eduard Morres
Es war an einem schönen Spätwintermorgen – es ist schon lange her –, als wir uns zu dritt, meine Tochter Senta, der Waldheger und ich, auf Skiern mit der festen Absicht auf den Weg machten, den Omu, den höchsten Butschetschgipfel, zu besteigen. Von Süden her spurten wir durch die Schneemassen des Breteitales zum hohen Strungasattel. Wir schlugen den herrlichen Kammweg ein, der zum Omu führt: auf dem Strungarücken über die Bătrâna und die Doamnele.
Die Aussicht auf die weiträumiger Braner Landschaft begeisterte uns. Bald aber wurden wir von einem finsteren Gewölk beunruhigt, das sich über dem Königstein zusammenbraute und rasch näher rückte. Eile tat not. Schon hüllten uns auf den Doamnele dichte Nebelschwaden ein.
Als die Dämmerung hereinbrach, waren wir am heikelsten Punkt unseres Weges angelangt, dort, wo über Felsabstürze nach Überquerung des oberen Ialomițatales der schmale Zugang zum Omuplateau gefunden werden musste. Vom rechten Weg waren wir offenbar abgeirrt. Hier nun, da jede Sicht und Orientierung versagte, hatte ich den Mut nicht mehr, den riskanten Weg zur Omuhütte einzuschlagen. Es blieb nichts anderes übrig, als auf dem flachen Doamnele-Rücken Deckung gegen den Wind zu suchen und den Morgen abzuwarten (zum Glück war es nicht sehr kalt; immerhin befanden wir uns auf 2400 Meter Höhe). Da leuchtete durch den wogenden Nebel ein fernes großes Licht auf – was narrt uns da? Ich schlug den Weg in der Richtung ein – da, ich verlor mit einem Mal den Boden unter den Füßen, stürzte ab und fand mich nach dem ersten Schreck am Fuße einer Riesenwächte im weichen Schnee. Es bedurfte über eine Stunde harten Steigens, bis wir wieder beieinander waren. Genarrt hatten mich offenbar die fernen Bolbocilichter.
Ein weiteres Umherirren und Suchen hielt ich für zwecklos. Wir schnallten um 11 Uhr nachts ab, setzten uns auf die Skier und futterten tüchtig. Ich nahm, mit dem Rücken gegen den Wind, Senta in die Arme, und nun waren wir allein darauf bedacht, uns durch Atemübungen und Bewegungen vor dem Erfrieren zu bewahren. Qualvolle Stunden vergingen, mit Gedanken an die Lieben daheim – und die Opfer, die der Butschetsch schon gefordert hat... Das Morgengrauen brachte uns wieder auf die Beine. Mit Schrecken merkte ich, dass ich im Laufe der Nacht schneeblind geworden war: Auf eine Entfernung von kaum 6 Schritten erkannte ich meine Begleiter gerade noch als blaue Silhouetten mit orangefarbener Aureole.
Nun kam alles darauf an, wenigstens nach der Windrichtung zum Absturz gegen die Gauraschlucht und dann auf dem Hauptrücken den Weg heimwärts zu finden. Dies gelang gottlob, wenn auch nach abermaligem Umherirren im Nebel. Dann aber ging’s in zügiger Abfahrt zu Tal, in menschliche Geborgenheit. Auch mein Sehvermögen kehrte mit der Talluft wieder.
Sechsunddreißig Stunden hatte die Skitour gedauert. Wir waren froh und glücklich, eine harte Probe gut überstanden zu haben.
(Verlag Neuer Weg, Bukarest - Komm Mit 70, S. 244 – 245)
Seite | Bildunterschrift |
---|---|
245 | Auf Skiern zum Gălășescu. |